9.7.2020
Alt-53er
Kennen Sie Gesine Lötzsch und Petra Pau? Nein, das sind keine Figuren einer RTLII-Juxschmonzette - die heißen nur so beknackt. Die beiden sind Volkskammer-, pardon: Bundestagsmitglieder der antikapitalistischen linken PDS. Von 2002 bis 2005 hielten sie die Stellung ganz allein auf weiter Flur, lebendes Denkmal der unbekannten Parteisoldatinnen und wirkten dabei so tragikomisch-heroisch wie der versprengte japanische Dschungelkämpfer, der auf seinem einsamen Posten nicht wahrhaben wollte, dass der Zweite Weltkrieg vorüber war: per Erststimmen gewählte Wahlkreisabgeordnete zweier PDS-Hotspots in Berlin (Ost), nachdem die multipel umbenannte SED per Zweitstimmen unter 5 % gestürzt war. Der unflotte Zweier bewirkte jedoch keinen Karriereknick, Pau ist inzwischen sogar zur Bundestags-Vizepräsidentin aufgestiegen. In der 17.-Juni-Feierstunde am 17. Juni verlautbarte sie wie folgt: Der 17. Juni 1953 sei in der DDR ein schwarzer Tag gewesen; seit Längerem anschwellende Proteste seien insbesondere durch die Sowjetarmee blutig niedergeschlagen worden; es sei um Demokratie und Bürgerrechte gegangen, zum Beispiel um Pressefreiheit und die Forderung nach freien Wahlen; rund um den 17. Juni 1953 habe es eine Entwicklung gegeben, die in vielem an den Herbst 1989 erinnert und schließlich zur Implosion des Sozialismus sowjetischer Prägung geführt habe, und das auch völlig zu Recht; ein Sozialismus, in dem soziale Rechte und Freiheits- und Bürgerrechte nicht als gleichwertig gelten, sei kein Sozialismus; der Bruch der PDS mit dem Stalinismus als System von 1989 gelte unwiderruflich etc. PP. Welch Labsal für die DDR-traumatisierten PDS-Mitglieder; diese goldenen Worte sind ihnen fürwahr aus der Seele gesprochen, denn nichts ist ihnen so verhasst wie der SED-Unrechtsstaat.
Ja, so ist die PDS nun mal: Freiheit, Freiheit über alles! Am Abend des 9. November 1989 war ein Wunder geschehen: Urplötzlich war der Geist der Demokratie auf die SED-Mitglieder herabgekommen, und von Stund an hatten sie sich abgewendet vom SED-System, voller Ekel und Verachtung, ein epochaler Vorgang, der unter der Bezeichnung „Wende“ in die Geschichte eingegangen ist, hatten sich - sofort, unverzüglich - zu Muster-Demokraten gewandelt und sind es geblieben bis auf den heutigen Tag. Echt jetzt!
Während die westdeutschen Alt-Linken auf ewig im 1968er-Wolkenkuckucksheim schwelgen, sind die PDSler bodenständig und realitätsbezogen: Ihr Sehnsuchtsdatum ist und bleibt der 17. Juni 1953. Ach, wie überglücklich wären sie, wenn der Volksaufstand zum Erfolg geführt hätte: Demokratie, Meinungsfreiheit, Rechtsstaat, freie Wahlen (wodurch die SED unter 5 % gestürzt wäre), das ist naturgemäß der tiefinnigste Wunsch aller PDSler. Auf ewig blutet ihr Herz, weil die SED mit Hilfe der sowjetischen Imperialisten den Aufstand gewaltsam niederschlug. So mussten sie - schlimm, schlimm! - noch weitere 36 bittere, entbehrungsreiche Jahre ausharren, bis 17. Juni reloaded sich machtvoll durchsetzte: Untergang der SED-Diktatur. Ihr PDSler, aller mehr als verständlichen Verbitterung zum Trotz seid bitte eingedenk: Es war nicht alles schlecht in der DDR! Durch eure harsche, kompromisslose Kritik an 44 Jahren Diktatur, Misswirtschaft und Provinzialisierung solltet Ihr nicht die Biografien und Lebensleistungen der Menschen in der DDR schmälern und verunglimpfen!
Kaum war - endlich, endlich! -im Herbst 1989 der Lebenstraum der PDSler in Erfüllung gegangen, wurde ihnen sofort der 17. Juni als Feiertag genommen - typisch Siegerjustiz der übrigen Parteien, die das Gedenken an dieses Ereignis am liebsten für immer auslöschen möchten. Doch das wird ihnen nicht gelingen, da sei die PDS vor: Allein auf ihre Initiative, gegen verbissenen Widerstand der übrigen Parteien, wird das „Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft“ errichtet werden, natürlich ausschließlich aus Spenden der PDS-Mitglieder finanziert.
Das ist erst der Anfang. Allmählich bewahrheitet sich die alte Bauernregel „Die Freiheit in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!“:
Aus verlässlicher Quelle ist mir zugetragen worden, dass die PDS mit der CDU darüber verhandelt, deren 1976er Wahlkampfmotto im Pau'schen Geiste zur Bundestagswahl 2021 verwenden zu dürfen: „Freiheit statt Sozialismus“.
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