22.6.2017
Inkompetenzteam
„Es lebe der Dekurio! Das ist ein Dekurio! Wir sind bei Euch, Dekurio!“ Mit solch aufmunternden Zurufen wollen wehruntüchtige römische Legionäre, vor Angst mit den Zähnen klappernd und Knien schlotternd, ihren Anführer vorschieben, auf dass er mutterseelenallein den aussichtslosen Kampf gegen die unbesiegbaren Gallier ausfechte. Und fügen kleinlaut hinzu: „In Gedanken immer.“¹ An den bemitleidenswerten Helden wider Willen erinnert Martin Schulz, nachdem sein Generalsekretär Hubertus Heil verlautbart hat, im Wahlkampf der SPD werde es keine Kompetenz ... pardon: kein Kompetenzteam „im klassischen Sinne“ geben, denn die Partei habe viele Frauen und Männer, die glaubwürdig und kompetent für Themen stünden. „Aber das muss man nicht unbedingt gleich mit Porträtfotos abbilden“. Ei, der Herr Heil ist ja fürwahr ein rechter Witzbold, der auf schelmische Weise die Öffentlichkeit in ihrem legitimen Informationsinteresse vor den Kopf stößt. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man über dieses Kompetenzgerangel hinweggehen: „Die spinnen, die Sozis.“ Doch das Problem liegt tiefer.
Nebenbei überrascht uns Heil mit der Hypothese, das Phänomen Kompetenzteam stamme aus der Ära unserer Klassiker. Was meint er damit: die Räuber, die Alkoholisten in Auerbachs Keller? Oder gar das antike Rom? Aber wir brauchen uns nicht so weit in die Vergangenheit zu begeben. Noch zu meiner uncoolen Zeit hießen Kompetenzteams nämlich Schattenkabinett, und da kommen wir der Sache schon näher: Es geht schlichtweg darum, wer Minister eines bestimmten Ressorts werden soll, sofern es von der SPD besetzt wird. Spätestens nach der Wahl muss das aber ohnehin geklärt sein. Dann müssen nicht nur Fotos präsentiert, sondern vor allem Namen genannt und Personen ernannt werden. Eine auf bloßen Personenkult gründende One-Man-Show wird da nicht mehr hinreichen. Warum also kann nicht bereits jetzt festgelegt und mitgeteilt werden, was in 3 Monaten auf jeden Fall unumgänglich ist? Die gleichermaßen bittere wie banale Antwort ist durch meinem Freud'schen Lapsus vorweggenommen: Die SPD verfügt über keinerlei kompetente Leute, denn wenn es welche gäbe, hätte sie nicht Schulz aus Straßburg abzuwerben brauchen.
Böse Zungen unken, all dies lasse nur eine von zwei möglichen Schlussfolgerungen zu. Variante 1: Es sind keine Minister erforderlich, sondern die nächste Bundesregierung wird von einem dreiköpfigen Wohlfahrts- und Gerechtigkeitsausschuss gebildet, der für sämtliche Ressorts zuständig ist: Martin Schulz, Katrin Göring-Eckhardt, Sahra Wagenknecht. Variante 2: Es wird zwar einen Ministerrat geben, der jedoch ein bedeutungsloses Schatten-Kabinett ist, denn in der rot-blutrot-grünen Koalition werden die maßgeblichen Entscheidungen ausschließlich vom Politbüro der PDS getroffen. Solcherart billige Polemik wird dem Ernst der Lage aber nicht gerecht: Wir sind gerade Zeugen eines Geschehens mit der schicksalsträchtigen Wucht einer griechischen Tragödie, wie eine Götterdämmerung, die letzten Zuckungen einer Partei in Agonie, die bald für immer von der Bühne der Geschichte abtreten wird. Bis dahin entzieht sich die SPD zusehends der schnöden Realität und übt entsagungsvolle Askese: kein Kompetenzteam, keine klare Aussage wg. PDS, keine Wähler.
Für alle, die es noch nicht wissen, weist Heil ausdrücklich darauf hin, dass Martin Schulz die Nummer Eins der SPD sei. Deshalb werde er von allen glaubwürdig kompetenten Mitgliedern (s. o.) unterstützt. Darauf kann der brave Parteisoldat Schulz Gift nehmen: Er einsam und verloren vorneweg, den übermächtigen Angelliern schutzlos ausgeliefert, weit hinter ihm in sicherer Deckung nur eine Horde dusseliger Feiglinge, die bestenfalls dazu taugen, eine Landtagsschlacht nach der anderen zu vergeigen. Mit dem armen Martin Schulz wird es ein trauriges Ende nehmen, wie es General Strategus beschieden ist: Nach unausweichlicher Niederlage und heilloser Konfusion erleidet er einen Nervenzusammenbruch und kann nur noch verzweifelt schluchzen: „Sie sind alle so dumm - und ich bin ihr Chef!“²
¹Asterix und die Normannen
²Asterix und die Goten
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(22.6.2017)
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