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Aus II mach I

22.03.2009

am 18.10.2008 sandte ich der Deutschen Bahn AG per Kontaktformular auf ihrer Webseite folgende Mitteilung:

Sehr geehrte Damen und Herren,

bitte gestatten Sie mir, Sie wegen Folgendem anzusprechen: Auf einer Grasfläche des Grund­stücks Maschmühlenweg 23 in Göttingen (neben der DB Schenker Railion Deutschland GmbH) befindet sich eine Art Gedenkstein mit folgender Aufschrift:

1939 - 1945

Zum ehrenden Gedächtnis
an die im Weltkriege gefallenen
Arbeitskameraden
des Bahnbetriebswerkes Göttingen

Sie starben auf dass
Deutschland lebe

Der zweite Satz ist eine zynische Parole aus der Nazizeit und daher absolut inakzeptabel. Hiermit wird Menschen, die von den Nazis in den Tod getrieben wurden, keine Ehre erwiesen, sondern sie werden verhöhnt und entwürdigt. Zudem impliziert diese Parole eine Rechtfertigung der Eroberungs- und Vernichtungskriege der Nazis. Ich bitte Sie deshalb, diesen Gedenkstein zu entfernen oder zumindest angemessen umzuformulieren (und dabei auch den etwas müffelnden Begriff „Arbeitskameraden“ zu ersetzen).

Mit Schreiben vom 01.11.2008 erinnerte ich die Deutsche Bahn AG an die Angelegenheit, da bislang der Gedenkstein nicht entfernt oder geändert worden war und ich keine Antwort erhalten hatte.

Nachdem sich weiterhin nichts getan hatte, teilte ich der Deutschen Bahn AG mit Schreiben vom 17.12.2008 Folgendes mit:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zumindest eine windelweiche Wischiwaschi-Ausreden-Antwort hätte ich von einem hochnäsigen Monopolisten mit neumodisch-verlogenem Kundenorientierungs-Getue wie der Bahn AG schon erwartet. Mit Ihrem Schweigen beweisen Sie, dass Sie im Unrecht sind.

Mit wenig freundlichen Grüßen

Ich fand es zwar nicht angenehm, solch einen Ton anzuschlagen, doch ab und zu gehört nun mal auf einen groben Klotz ein grober Keil.

Daraufhin geschah zunächst wie gewohnt nichts, doch am 09.01.2009 erhielt ich plötzlich folgende bemerkenswerte Emaille:

Sehr geehrter Herr Klabunde,

Ihrem Brief, der am 7. Januar 2009 im Vorstandsbüro der DB AG eingegangen ist, entnehme ich, dass Sie unser Schreiben, in dem wir darauf hingewiesen haben, dass wir uns kümmern werden, nicht erhalten haben. Wir haben die Tafel auf dem Gedenkstein auf Grund Ihrer Anregung inzwischen entfernen lassen. Vielleicht ist von Interesse für Sie, dass der Gedenkstein an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges erinnerte. Heute sind solche Inschriften, wenn sie nicht in einem erläuternden Zusammenhang stehen, in der Tat alles andere als angemessen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Susanne Kill
Konzerngeschichte/Historische Sammlung (KDP)
DB Mobility Logistics AG
Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin

Es ist erstaunlich, dass mein „Brief“ (es kann nur das Schreiben vom 17.12.2008 gemeint sein) erst am 07.01.2009 bei der Bahn AG angekommen sein soll. Noch erstaunlicher ist, dass die Bahn AG mir schon vorher geantwortet haben will. Ein solches Schreiben, dessen Datum wohlweislich nicht genannt wird, habe ich aber niemals erhalten, wie die Mitarbeiterin sehr zutreffend schlussfolgert. Ist die Bahn AG vom deutschen Postnetz abgeschnitten, sodass sie Schreiben erst nach 3 Wochen erhält und von ihr versandte Schreiben überhaupt nicht ankommen? Liegt dies etwa daran, dass die Post durch die Bahn transportiert wird?

Die Tafel wurde im Übrigen nach meiner Beobachtung erst Anfang Februar 2009 entfernt:

Ist Ihnen das Grünzeug vor dem entblößten Hinkelstein aufgefallen? Es handelte sich nicht um Überreste des natürlichen Bewuchses, die auf wunderbare Weise immergrün den Winter und das segensreiche Wirken der Handwerker unbeschadet überstanden hatten, sondern um Kunststoff. Wer brachte es zu welchem Zweck dorthin? Meine Kampf-Gefährtin Claudia entsorgte den Krempel kurzerhand in den Müll.

Die wirkliche Erkenntnis aus dieser Geschichte ist aber: Von 1939 bis 1945 fand der Erste Weltkrieg statt! Wie kommt die Mitarbeiterin der KDP (ich dachte, die wäre 1956 verboten worden - kleiner Scherz zur Auflockerung) darauf, es handele sich um eine Gedenktafel zum 1. Weltkrieg? Weil auf dem sog. Eisernen Kreuz eine Kaiserkrone, die Initiale von Willem Zwo und die Jahreszahl 1914 abgebildet sind? Ich bin sicher, dass dies nur eine verlogene Finte der Gedenkstein-Aufsteller war, weil das Eiserne Kreuz von 1939 natürlich ein Hakenkreuz trug und es verboten ist, nationalsozialistische Symbole öffentlich zu verwenden. Hat der Text die Diktion von 1918? Stehen die Jahreszahlen „1939 - 1945“ nur so so rein zufällig und völlig zusammenhanglos über der Tafel? Warum behauptet die Bahn AG solchen Unfug? Die Antwort ist leider klar: Es ist eine Schande und in höchstem Maße peinsam für die Bahn AG, dass auf ihrem Betriebsgelände seit wahrscheinlich Jahrzehnten Nazi-Propaganda stand, und niemand kümmerte sich darum, niemand nahm daran Anstoß. Daher muss nun abgewiegelt werden: Es handele sich gar nicht um den 2., sondern nur um den 1. Weltkrieg. Und daher sei dies überhaupt keine Nazi-Propaganda, sondern nur so 'n oller Kram von vor 90 Jahren, der damals seine Berechtigung hatte, nur heutzutage irgendwie nicht mehr so richtig up to date ist. Eigentlich könne diese Tafel sogar bleiben, sofern sie „in einem erläuternden Zusammenhang stehen“ würde (worunter man sich vielleicht ein Hinweisschild vorstellen mag, wovon die Bahn AG nur aus Kostengründen absieht). Fazit: Die Bahn ist mal wieder zu spät dran - etwas mehr Stil und Contenance sollte man schon erwarten. Aber nichtsdestoweniger: Vielen Dank, dass die Tafel nun endlich entfernt worden ist. Ein klein bisschen weniger Dreck in dieser Welt.

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