8.7.2020
Deutsche Leben eitern
Heaven can wait: Corona wird hintangestellt, Demo hat Vorrang. „Schwarze Leben sind ...“ von Belang, wichtig. So etwas kann man sagen, wenn städtische Freizeiteinrichtungen dem Rotstift zum Opfer fallen: „Freibäder sind wichtig!“ - Spaß, Sport, Erholung. Darauf erwidert die Gegenseite: „Freibäder sind überflüssig!“ - kosten ein Heidengeld und liegen die Hälfte des Jahres brach. Doch in Bezug auf Menschen ist solch eine Formulierung die schiere Verächtlichkeit - tatsächlich natürlich nur gedankenloses Geplappere. Wenn ich schwarz wäre, würde ich mich verwahren gegen diese Worte, die wie gönnerhaftes Gutmenschen-Gefasel klingen, das hätten auch die Sklaventreiber sagen können, erscheint wie eine beliebige Meinungsäußerung zu einer Geschmacksfrage, auf dem Niveau von Umfragen im Internet: „Soll die Katzensteuer eingeführt werden? ja/nein/mir egal“. Die Wortwahl hat auch was von bloß funktionaler Betrachtungsweise: „Regenwürmer sind wichtig für das ökologische Gleichgewicht.“
Der amerikanische Rassismus mit seinen historischen und gesellschaftlichen Implikationen und seinen Auswüchsen ist ein spezifisch amerikanisches Thema. Es ist vergebliche Liebesmüh (und etwas aufgesetzt), deswegen in old Germany zu demonstrieren. Gleichermaßen ist es oberflächlich (und etwas diffamierend), die amerikanischen Verhältnisse auf andere Länder zu phantasieren. Wenn dies so wäre, brauchte man nicht erst eine amerikanische Tragödie zum Anlass zu nehmen, um irgendwie so ganz allgemein gegen Rassismus zu demonstrieren. Ein deutsches Thema (deutscher geht 's nicht) hingegen ist der versuchte Anschlag am 9. Oktober. Gab es damals Demonstrationen in anderen Ländern, in Amerika? Keine. Verwunderlich? Überhaupt nicht: Ich fürchte, das momentan angesagte Trend-Thema beruht mal wieder größtenteils darauf, dass alles, was in Usa geschieht, als Weltereignis gilt, das wir gebannt, geradezu hypnotisiert anstarren, larger than life, unsere daily Game-of-Thrones-Realitysoap: Völker, höret die Signale, die aus Amerika erschallen! Diesmal geht es um Schwarze, pardon: Afroamerikaner*innen, tha muthafuckin' Gangsta-Rappers (nicht Cop-Killers), Bullen-Terror, Minneapolis, Hashtag #BlackLivesMatter - das kommt voll cool rüber. Was sind dagegen ein paar jüdische Deutsche und die beiden unglückseligen Zufallsopfer - wie ungeil ist das denn?
And where the hell is Halle?
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(8.7.2020)
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