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Drum prüfe ...

20.02.2006

Sind wir zu naiv gewesen, die wir den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union befürworten? Mit - im doppelten Wortsinn - ungläubigem Entsetzen mussten wir vor kurzem erleben, dass auch in der Türkei Zehntausende nichts Besseres mit ihrer Freizeit anzufangen wissen, als wegen ein paar drolliger Cartoons grölend durch die Straßen zu ziehen und - sehr originell und gottgefällig! - den dänischen Ministerpräsidenten (darf man ihn eigentlich bildlich darstellen?) in effigie abzufackeln. Kann es jetzt noch wünschenswert sein, solch ein Land, unter dessen offenbar nur dünnem zivilisatorischen Boden Intoleranz, Engstirnigkeit und antidemokratische Gesinnung brodeln, in die EU aufzunehmen? Und kann es der Wunsch der Türken sein, einer Gemeinschaft beizutreten, in der es möglich ist, dass gotteslästerliche Schmierfinken in der dänischen Provinz ungestraft ihr teuflisches Werk betreiben, und wo es so etwas Blasphemisches wie Meinungs- und Pressefreiheit gibt? Was wollen die Türken unter solchem Abschaum? Fazit: In der Europameisterschaft der demokratischen Staaten haben sich die Türken ein saftiges Eigentor geleistet, das so schnell nicht vergessen sein wird. Drum prüfe, wer sich ewig binde. Ganz so einfach ist es aber doch nicht, und so beißt sich die Katze in den Schwanz: Das Ziel, die Türkei in die EU aufzunehmen, hat bei aller Freundschaft auch eine profane strategische Komponente: Das Land - Bindeglied zwischen Europa und dem islamischen Asien - muss auf der richtigen Seite verankert werden, um es dem Zugriff durch die antidemokratischen islamischen Unrechtsstaaten zu entziehen - im Interesse sowohl der EU als auch der Türkei.

Zum selben Zeitpunkt hat sich der türkische Ministerpräsident Erdogan als Vermittler im "Karikaturen-Streit" angeboten und vor einer zunehmenden Gegensätzlichkeit zwischen islamischer und christlicher Welt gewarnt. Dies klingt zunächst sehr ehrenwert (abgesehen von der Frage, zwischen wem worüber mit welchem Ziel eigentlich Vermittlungsbedarf bestehen soll). Bei allem Respekt, aber Herr Erdogan irrt: Es geht hier nicht um Religion, sondern um Politik. Und leider auch um Ideologie und Fanatismus. Es gibt vielleicht eine islamische Welt, eine christliche Welt gibt es jedoch nicht mehr (mal abgesehen - kleiner Scherz meinerseits - vom amerikanischen Regierungsviertel). Was Herr Erdogan als die christliche Welt bezeichnet, sind im Klartext die säkularisierten Länder, in denen Politik und Religion, Staat und Kirche strikt getrennt sind (mal abgesehen - kleiner Scherz meinerseits - vom CDU-Vorstand), die demokratischen Rechtsstaaten mit individueller Freiheit und Achtung vor dem Einzelnen - und mit einem gewissen Maß an geistiger Souveränität, die Meinungsäußerungen, welche subjektiv als Kränkung religiöser Gefühle empfunden werden, schlichtweg erträgt.

Angenommen, in irgendeinem Land würde eine Karikatur Jesus als arbeitsscheuen Landstreicher und größenwahnsinnigen Scharlatan zeigen, nach einer misslungenen Abtreibung das unerwünschte Ergebnis einer wilden Vögelei zwischen der nymphomanen Ex-Jungfrau Maria und dem Lustgreis Jahwe, einem abgetakelten Produzenten von Porno- und Katastrophenfilmen, während der versoffene Josef mal wieder im Kuhstall lag und seinen Vollrausch ausschlief - würden in der "christlichen Welt" die Botschaften dieses Landes in Schutt und Asche gelegt? Würde der amtierende Papa Lapap den Zeichner und dessen sämtliche Landsleute für vogelfrei erklären und seine Schweizer Glaubenskrieger ausschicken, um diese Fatwa gnadenlos zu exekutieren?

Aber man kann ja auch anders, wie uns die Demonstranten in Berlin, Düsseldorf und Bonn so trefflich gezeigt haben. Dem Stammtisch der politisch korrekten Gutmenschen geht darob natürlich das Herz auf, da bebt die Brust, und es quillt die Träne der Rührung: Die edlen Wilden zeigen den degenerierten, ungläubigen Untermenschen, wie man friedlich die Meinungsfreiheit bekämpft. Natürlich wieder vor der dänischen Botschaft. Was der dänische Staat mit den Veröffentlichungen der freien dänischen Presse zu tun, wissen wohl nur diese Demonstranten - durch göttliche Eingebung? Und allenthalben ernten sie Lob für ihre "Besonnenheit". Nun sind also diejenigen, die keine Gewalt gegen Menschen und Sachen verüben, die nicht dazu aufrufen, dänische Botschafter abzuschlachten, die nicht den "wahren Holocaust" androhen, dafür ausdrücklich zu loben. Toll! Wird der islamische Faschismus nun schon als Normalität, gewaltloses Verhalten aber als rühmliche Ausnahme betrachtet, für die man sich gefälligst auch noch artig zu bedanken hat?

Worüber echauffieren sich die muslimischen Demonstranten und Randalierer? Ist es ihr Anliegen, Menschen, deren Leben und Würde bedroht sind, zu verteidigen? Natürlich nicht, sondern es geht allein um ihren Gott und die damit verbundenen familiären, gesellschaftlichen, staatlichen und supranationalen Macht- und Unterdrückungssysteme, zu deren Verteidigung jedes Mittel recht ist, ohne die geringste Rücksicht auf Leben und Würde anderer Menschen: "Du bist nichts, dein Gott ist alles!" So stellt sich hier auch und wieder die Frage, wer eigentlich wichtiger, wer verletzlicher und schutzbedürftiger ist, wer mehr der Achtung und Fürsorge bedarf - Gott oder die Menschen? Und im Hintergrund schimmert neuerlich ein bitteres Menetekel: War die Erfindung der Religionen wirklich eine sinnvolle Kulturleistung der Menschheit?

Die Reaktionen in den islamischen Ländern erinnern an die beiden schönsten Propaganda-Sumpfblüten des früheren Kommunismus: den "Anti-Kommunismus" und die "Einmischung in die inneren Angelegenheiten". Kaum wagte mal jemand, Kritik am segensreichen Tun der sakrosankten kommunistischen Diktaturen zu äußern, wurden sofort die ideologischen Moralkeulen geschwungen und die Kritiker als imperialistische Hetzer gebrandmarkt - und prompt war jegliche sachlich-politische Diskussion abgewürgt. Es ist doch leider kein Zufall, dass die dänischen Karikaturen aufspießen, wie der Islam zum Zwecke des Terrorismus instrumentalisiert und pervertiert wird. Der Islam als Religion an sich ist jedoch überhaupt nicht Thema der Zeichnungen (warum auch, Jyllands-Posten ist schließlich keine Kirchenpostille), geschweige denn in beleidigender Weise. Aber anstatt die Diskussion über die unheilige Verquickung von Islam und Terrorismus zu führen, werfen die Muslime den demokratischen Ländern vor, ihre religiösen Gefühle anzugreifen - und schon ist jede sachlich-politische Diskussion im Ansatz erstickt. Erwarten die Muslime tatsächlich, ernst genommen zu werden, indem sie sich als realitätsferne, elitäre Mimosen aufspielen und eine "Weltkrise" inszenieren, die sich auf dem Niveau einer stümperhaften RTL-II-Schmonzette bewegt?

Die Gedankenfreiheit, die die Mullahs und Imame ihren eigenen Anhängern nicht geben wollen, können sie den Einwohnern der demokratischen Länder nicht verbieten. Auch die Religionen sind Gebilde von Menschenhand und dürfen daher von Menschen diskutiert und kritisiert werden, zumal in ihren konkreten Ausformungen weit jenseits der spirituellen und humanen Ebene. Europa brauchte Jahrhunderte, um sich unter großen Opfern vom Terror des institutionalisierten Christentums zu befreien, und lässt sich daher vom institutionalisierten Islam weder Maulkorb noch Fesseln anlegen. Kein Mea Culpa, kein Kniefall in Sack und Asche, kein Zurückweichen, nicht ein Haar breit - wir haben etwas zu verlieren und zu verteidigen!

PS: Solidarität mit Dänemark! (Das Glück meint es gut mit Dänen und mit denen, denen Dänen nahe stehen - kleiner Scherz meinerseits.)

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(28.02.2006)

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