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16.6.2019

Hoffnungstrüger

Brexuelle Belästigung! Sie können es nicht mehr ertragen, Tag für Tag mit dem britischen EU-Austritt behelligt zu werden? Ich auch. Qualvoll, end- und aussichtslos schleppt sich das hin, länger sogar als die deutsche Regierungsbildung 2017/18. Damals waren wir so stolz darauf, schon vorab Weltmeister zu sein - in politischer Kurzsichtigkeit, Verantwortungslosigkeit und Kleinkariertheit. Doch nun laufen uns die Vereinigten Königreichsbürger mit vielen Runden Vorsprung den Rang ab. Und wollen uns obendrein schröpfen: „No Royalty? No Royals!“ Die seit Jahrzehnten mit unvermindertem Erfolg von einem Konsortium aus BBC und den übrigen britischen Medien produzierte Doku-Soap ist zum schier unüberwindlichen Zankapfel geworden. Nur deshalb kommt der Brexit nicht vom Fleck - weil die Verhandlungen über die königliche Dauerserie, die vor allem den Deutschen so lieb und teuer ist, in einer Sackgasse stecken. Das heißt, teuer ist „The Royals“ bislang eben nicht gewesen, sondern im Gegenteil total billig, begünstigt durch Zollunion und Binnenmarkt. Nach dem Brexit aber wollen die Briten die Lizenzgebühren für den Verkauf von „The Royals“ exorbitant anheben. Darüber sind die deutschen Medien not amused, denn sie bestreiten einen Großteil ihres Contents auf kostengünstige, stressfreie Weise mit dem Windsor-Clan. Deren success that never ends ist umso erstaunlicher, als die Handlung ziemlich hausbacken und schlicht gestrickt ist: Die Protagonisten verdaddeln ihr Leben mit Nichtstun, heiraten ab und zu, kriegen Königskinder, die nach einigen Jahrzehnten sich ihrerseits verehelichen und fortpflanzen, hin und wieder gibt 's einen runden Geburtstag und ein Dienstjubiläum, zuweilen präsentiert Sissi II. der staunenden Welt einen neuen Hut - und das war 's. Da ist jede Wohnungsentrümpelungs-Schmonzette auf RTLII mitreißender. Sterben tun die Royals (fast) nie.

Inzwischen ist den deutschen Medien der Kragen geplatzt, und sie geben Kontra: „No Deal!“ Unter Federführung des RSD (RedaktionsSchwetzwerk Deutschland) haben sie beschlossen, kurzerhand ein Konkurrenzformat zu entwickeln - vergesst „The Royals“! Das Volk braucht aber nicht nur Brot und Spiele, sondern vor allem eines: Hoffnung. Hoffnung in einer hoffnungslosen Zeit. Wohin man auch blickt, ob Klima, GroKo, ESC: eine einzige Katastrophe. Doch nun kommt er endlich - der von Roman Herzog 1997 prophezeite Ruck, der durch Deutschland gehen muss: Mit Humor und Optimismus kann der Royals-Klon made in Germany aufwarten, um den Deutschen frischen Mut, Zuversicht und Lebensfreude und den Glauben, dass nun die besten Jahre vor ihnen liegen, einzuflößen. Hierfür hat eine Taskforce hochkarätiger Autoren eine Sammlung zeitgeistgemäßer, origineller Sympathieträger und Leitfiguren entworfen. Das Konzept lautet: Die Protagonisten sollen eine echt total politisch relevante Message rüberbringen und gleichzeitig massentauglich trivial sein. Dies ist hervorragend gelungen, z. B.: Luisa Neubauer, das hübsche Plappermäulchen; Rezo, der dauerpubertierende Scherzkeks (von dem man nie genau weiß, wofür er eigentlich Reklame macht: Schirmmützen, Haarfärbemittel oder Zahnpasta); Robert Habeck, der bekiffte Doppel-Twen mit Schmuddelbart und Schmuddelhaaren. Am gelungensten ist eine Figur namens Greta Thunberg: die anti-sexistische Antwort auf Lara Croft - vergesst „Tomb Raider“! So oft Ihnen ein Schild mit der Aufschrift „Skolstrejk för Klimatet“ vor die Nase gehalten wird: die kaum wahrnehmbare Gestalt darunter, das ist Greta! Sie alle haben unsere Herzen im Sturm erobert. Mit selig verzückten Augen und bebendem Busen, dankbar und demütig, sehen wir auf zu diesen unseren neuen Heilsbringern, die uns einen wahrhaftigen Neubeginn verheißen und in eine goldene Zukunft führen: Deutschland erwacht aus Stillstand, Dunkelheit und Depression, vom Eise befreit, here comes the sun.

Titel des neuen deutschen Formats: „Dumm-Reder“. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens die Briten sich auf common sense besinnen: „No Brex please, we 're British!“

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