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22.4.2019

Jan Erdoman

Kennen Sie Jan Böhmermann? Da winken Sie gleich ab: „Ja, so vage, einer dieser wichtigtuerischen Fernsehfuzzis mit eigenartiger Frisur und Schmuddelbart. Was ist mit dem? Hat der was mit Helene Fischer?“ Also, Ihr Sarkasmus ist hier gänzlich fehl am Platze. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber das ist eine typische Unsitte unserer Zeit: Niemals sachlich bleiben, sondern immer persönlich werden. Nein, Jan Böhmermann ist nebenberuflich satirischer Aktionskünstler:

Jüngst wollte er Angela Merkel gerichtlich verbieten, ihre Meinung zu einem von ihm verfassten Text geäußert, diesen gar kritisiert zu haben. „Wie bitte, man darf doch niemanden daran hindern, seine Meinung zu sagen und Kritik zu üben“, entgegnen Sie, „so was gibt es doch gar nicht. Dieser Böhmermann hält sich wohl für den allmächtigen Herrscher des Universums.“ Jetzt bleiben Sie mal auf dem Teppich, wenn Sie schon nicht zur Gattung der Schnellmerker gehören. Natürlich gibt es das nicht in echt - das ist ja die Satire. Böhmermann weiß selbstredend, dass jeder seine Meinung frei äußern darf und dass jeder, der sich in die Öffentlichkeit begibt, in besonderem Maße Kritik ertragen können muss. Und dennoch hat er Angela Merkel verklagt. Das meint er selbstverständlich nicht ernst, denn es wäre ja grotesk, die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit schützen zu wollen, indem die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Vielmehr stellt Böhmermann das getürkte Gerichtsverfahren in einen satirischen Kontext: 2016 hatte Recep Erdoğan sich über eine Satire des NDR echauffiert, woraufhin Böhmermann im ZDF einen gereimten Text zum Besten gab, der keine Satire war, sondern eine Schmähkritik, aber eigentlich doch nicht, sondern eine verklausulierte Pseudo-Schmähkritik, die tatsächlich eine Satire war, damit deutlich wird, dass unerlaubte Satire, obwohl erlaubte Schmähkritik, doch irgendwie zulässig sein könnte und ... äh ... na ja, so ganz habe ich das bis heute nicht verstanden, wahrscheinlich niemand, aber das muss man auch nicht, denn Gottes Wort ist zuweilen dunkel und geheimnisvoll. Was das jetzt mit Böhmermann zu tun hat? Nehmen Sie es mir bitte nicht übel: Platte, abgedroschene Witze wie „Herrscher des Universums“ können Sie abspulen, aber mit dem Durchblick hapert es bei Ihnen: Böhmermann ist Gott! Wussten Sie nicht, klar, hätte mich auch gewundert. Und in dieser herausgehobenen Funktion darf er nun mal Dinge tun, mit denen jeder andere Dummerjan sich nur dem Gespött preisgeben würde.

Wie mit Folgendem: Böhmermann lässt durch seinen Rechtsanwalt behaupten, Merkels Kritik sei Ursache dafür, dass er und seine Familie von militanten Erdoğan-Anhängern bedroht werden. Wenn das keine Satire wäre, sondern ernst gemeint, hieße dies, dass Böhmermann selbst völlig belanglos ist und niemand auf seine Gerede achtet, wohingegen er erst und ausschließlich kraft Angela Merkels zur Kenntnis genommen und adäquat recepiert, pardon: rezipiert wird. Hätte Merkel stattdessen verlautbart, Böhmermanns Text sei das Allerbeste, was sie jemals gehört hat, und sie pflichte ihm uneingeschränkt bei, dann wären folglich die Erdoğan-Anhänger zufrieden gewesen, hätten ihrem Führer Entwarnung signalisiert, und der hätte sich bei seiner besten Freundin Angela artig für diese Interpretationshilfe bedankt, alle hätten einander lieb, und Mesut Özil würde Böhmermann zu seiner Hochzeit einladen. Meint er natürlich nicht so, das ist eben Satire, jetzt kapieren Sie das doch endlich!

Und Böhmermann, den Schalk im Nacken, setzt noch eins drauf: Sein Rechtsanwalt hat in der Gerichtsverhandlung als Vergleich vorgeschlagen, Merkels Äußerung solle aus den Unterlagen des Bundeskanzleramts gelöscht werden. Solch eine Vorgehensweise ist ein Merkmal totalitärer Systeme: Wenn die historische Wahrheit den Machthabern nicht in den Kram passt, wird sie eben frisiert und retuschiert. Deshalb meint Böhmermann diesen Vorschlag selbstverständlich nicht ernst, sondern das ist halt Satire, damit deutlich wird, was Meinungsfreiheit wirklich ist: Frei sein von missliebigen Meinungen anderer.

Somit ist nun offenkundig, was Jan Böhmermann uns mit seiner Gerichtssatire sagen will. Nein? Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber von meinen Lesern hätte ich ein bisschen mehr Grips erwartet. Die Causa Böhmermann 2.0 macht überdeutlich, wie unerlässlich eine Forderung ist, die schon andere Paranoiker in anderem Zusammenhang beschworen haben: „Merkel muss weg!“

Siehe auch:
Schmählich

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