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24.6.2018

Karl von Trier

Die Geister, die ungerufen kamen, werden wir wohl nie mehr los: 2017 500 Jahre Reformartin, nun 200 Jahre Karl Marx. Deutschland ist ein Spukhaus, von bösen Gespenstern heimgesucht. Wie in Geister von Lars von Trier.

Deutschland hat sich Marx' seit eh und je als unwürdig erwiesen: Zum 100. Geburtstag rang es sich lediglich die KPD-Gründung ab, wohingegen die spektakulär inszenierten Karl-Marx-Festspiele in Sankt Petersburg stattfanden (wenn auch versehentlich ein Jahr zu früh, weil damals unterschiedliche Kalender verwendet wurden). Und nun zum 200. gab es gerade mal zwei Thementage bei Arte, ein bisschen Trallala mit Currywurst vom KPD-Überbleibsel PDS, und das Denkmal, welches Trier für alle Zeiten verschandelt, ist ein - wahrscheinlich schadstoffversifftes - Billigteil made in China. Das Ungetüm sieht aus wie eine hingestümperte, illegale Kopie der Statue des „Gesetzgebers“ in „Planet der Affen“. Wenigstens hätte der Vorschlag der PDS, Trier in Karl-Marx-Stadt umzubenennen, verwirklicht werden können. Dieses Jubiläum geht mir durch Marx und Bein, denn ich marx nicht gern von hintergestern, wenngleich es ein Marxstein in der Trierer Stadtgeschichte ist, und die Vermarxung des Idols beschert der Tourismusbranche eine Profitmarximierung ohnegleichen, aber letztlich ist das alles nur Murx - marx dir!

Nicht Junker Jörg, sondern Juncker Jean-Claude predigte uns donnernd und wortgewaltig ins Gewissen: Zur offiziellen Jubelfeier am 4. Mai in Trier hielt er die Laudatio und schrieb uns ins Stammbuch, Marx sei nicht verantwortlich für all die Gräuel, die seine vermeintlichen Erben zu verantworten haben. Dafür, dass „einige“ seiner späteren „Jünger“ Marx' Werte und Worte als Waffe gegen andere einsetzten, könne er nicht zur Verantwortung gezogen werden. Vielmehr müsse man Karl Marx aus seiner Zeit heraus verstehen (aha, und was haben wir Heutigen davon?). Sicherlich war auch Martin Luther nicht unmittelbar verantwortlich für die Gewalt und die Kriege, die sich aus seiner Heilslehre entwickelten. Andererseits: Ohne Luther wäre es nicht zu dem peri- und postreformatorischen Horror gekommen, so wie es ohne Marx den Kommunismus nicht gegeben hätte. Bei den Irregeleiteten handelte es sich also nur um „einige“ tragische, aber zu vernachlässigende Einzelschicksale. Obwohl in der Minderheit, schafften sie es dummerweise dennoch, ein Drittel der Menschheit zu unterjochen. Und rein zufällig hat es bislang noch nirgendwo demokratischen Kommunismus gegeben (pardon, natürlich mit Ausnahme von Thüringen seit Dezember 2014). Wollen die feinsinnigen Geschichtsparfümeure uns weismachen, dass sich heute noch irgendjemand an Marx erinnern würde, wenn der Welt der Kommunismus erspart geblieben wäre? Würde das diesjährige Marx-Gedöns auch allein deshalb zelebriert, weil er vor schlappen 140 Jahren lediglich ein dickes Buch schrieb, das aber gänzlich folgenlos geblieben wäre? Tatsächlich würde heute kein Hahn mehr nach Marx krähen, hätte es den real existierenden Marxismus, weit jenseits von Sonntagsreden und akademischen Seminaren, nicht gegeben. Aber Marx damit in Verbindung zu bringen, ist pfui, verpönt und verwerflich - geht's noch ein bisschen heuchlerischer und verlogener? Dieser so verkniffen salbungsvoll salbadernde Auftrieb der Marx-Junckies (lebende Satire: in einer Kirche!) erinnerte an eine Lehrerkonferenz im Lyzeum für höhere Töchter anno 1899, die den Lehrplan im Fach Fortpflanzungskunde festlegt: „Igittigitt, nein, Schweinkram kommt nicht infrage! In unserer keimfreien Parallelwelt dulden wir nur Bienchen und Blümchen.“ Marx ist demnach ein reiner Unschulds-Engels. Das soll sich mal Andrea Nahles hinter die Ohren schreiben, die den Vorwurf erhob, Marx habe die Sozialdemokratie geprägt wie kein anderer. Zwar findet sich im Parteiprogramm das zerknirschte Eingeständnis, die SPD beruhe auf marxistischer Gesellschaftsanalyse. Aber ihm deshalb den unumkehrbaren Niedergang der SPD in die Schuhe zu schieben, geht denn doch zu weit.

Trotz des von Marx' Jünckern erteilten Denkverbots, ihren Abgott mit der schnöden Realität zu besudeln: zum Abschluss eine kurze Geschichte des von der marxistisch-leninistischen Partei geführten Staates - erzählt mit Filmen von Lars von Trier:

Die betonköpfigen Idioten der SED drehten sich ihren eigenen Dogma-Film weit jenseits der Wirklichkeit. Bis zu ihrem schmählichen Untergang waren sie traumtänzerische Dancer in the Dark, während das Volk ein epochales Licht entzündete und genau das tat, was Marx postuliert hatte: die Welt verändern. Europa war von Anbeginn eine herbe Enttäuschung für die Kommunisten: Es gehorchte nicht der reinen Lehre, derzufolge die werktätigen Massen verelenden, der Kapitalismus den Bach runtergeht und schwuppdiwupp das Paradies des Kommunismus hervorgezaubert wird. Nirgendwo in Osteuropa und Ostdeutschland gab es eine Revolution. Stattdessen beruhte die kommunistische Machtergreifung allein auf einem glücklichen Zufall: dem Nationalsozialismus und wäre ohne die gründliche, flächendeckende Vorarbeit durch die Kriege der Nazis nicht möglich gewesen. (Hätte die Sowjetunion es mit Ost-Polen, Estland, Lettland, Litauen, Ost-Finnland sein Bewenden haben lassen und auf ewig von der West-Erweiterung abgesehen, wenn der NS-Staat ihr nicht den Weg für ihren Eroberungsfeldzug geebnet hätte? Um wie viel früher wäre die sowjetische Diktatur untergegangen, hätte sie sich nicht durch den „Großen Vaterländischen Krieg“, woraus sie gestärkt hervorging, rechtfertigen können?) Die fünf Hindernisse (Mauer, Stacheldraht, Selbstschussanlagen, Minenstreifen, vorsätzliche Todesschüsse) schreckten viele Menschen nicht ab - alle Rübergemachten destabiliserten das System. Von hündischem Kommerz konnte im SED-Staat keine Rede sein, nicht einmal im Intershop. Die Versorgung der Bevölkerung war zwar auf den Hund gekommen, die Diktatoren-Clique in ihrem Dogville Wandlitz führte dennoch kein Hundeleben, sondern deckte sich reichhaltig mit westlichen Luxusgütern ein. Das Element des Verbrechens wurde von der Rote Armee Fraktion beigesteuert, die sich den „bewaffneten Kampf als höchste Form des Marxismus-Leninismus“ auf ihre Totenkopf-Fahne geschrieben hatte, wofür etliche ihrer gesuchten Mitglieder im SED-Staat Unterschlupf fanden - Republikflucht mit umgekehrtem Vorzeichen. Walter Ulbricht und Erich Honecker, der Boss vom Ganzen, brachten es auf 26 und 18 Dienstjahre, bis sie von ihrer Kamarilla weggeputscht wurden. Egon Krenz hingegen durfte nur noch den Kehraus besorgen - das 50-Tage-Bössileinchen. Nach 44 Jahren war endlich alles vorüber, weil das doofe Volk, egoistisch und kleinkariert, nur seine eigenen Interessen im profanen Hier und Jetzt verfolgte, statt gelockert zu bleiben und Marx aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Der Antichrist wurde im Finalspiel von der Nikolaikirche besiegt. Am Ende, der ein Anfang war, sahen wir schließlich gloriose Bilder der Befreiung. Seitdem ist die PDS, vor allem ihr lebensunfähiger Wurmfortsatz in der West-BRD, in Melancholia versunken - ruhe unsanft!

Nur einer der Filme passt nicht zum Thema: Nymphomaniac - nichts ist so unsexy wie Marxismus.

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