9.10.2016
Kinder-Geld
Willkommen im Club of Rome! Das ist weder eine Bunga-Bunga-Location noch der Bibelkreis des Vatikan. Mit Letzterem hat der Club jedoch gemein, sich im Besitz der allein selig machenden Wahrheit zu wähnen und Unfehlbarkeit zu beanspruchen. Der Club of Rome heißt übrigens nur so, tatsächlich ist er in Winterthur ansässig („Club of Winterthur“ klänge aber ziemlich uncool, wie Kundenbindung einer Hausratversicherung). Nun hat die Schweizergarde ex cathedra der Welt ihre neueste Enzyklika beschert: „Ein Prozent ist genug“ lautet der Titel des Buches. Darin geht es aber nicht um die Wahlergebnisse der PDS in Westdeutschland, sondern um die Rettung der Erde (die nicht nur unter der PDS zu leiden hat). Der drohende Untergang lässt sich nach Meinung der Autoren nur dadurch verhindern, dass Frauen höchstens eines, idealerweise gar keine Kinder zur Welt bringen. Erfüllen sie diese Planvorgabe, sollen sie zum 50. Geburtstag 80.000,00 Dollar erhalten. Gilt die Prämie auch für Nonnen und Lesbierinnen? Wäre irgendwie ungerecht. Vor allem aber: Glauben die Autoren wirklich, aufrechte Menschen würden sich korrumpieren und etwas so hochgradig Existenzielles wie die eigene Fortpflanzung für ein Linsengericht abkaufen lassen, als wäre es ein Lockmittel zur Eindämmung der Hundeplage, weil die Köter die Bürgersteige und Grünanlagen vollkacken? Die Fehlleistungszulage werden doch ausschließlich solche Sozialschmarotzer und -innen abkassieren, die von vornherein keinen Bock haben, Kinder zu bekommen, und dennoch rotzfrech erwarten, dass, wenn sie alt und gebrechlich sind, die Welt weiterhin funktioniert: dass jemand das Brot backt, dass jemand den Stadtbus steuert, dass jemand die Kranken behandelt, was aber naturgemäß nicht die 70- und 80-Jährigen tun, sondern deren Kinder und Enkel.
Im Ansatz hat der Club of Rome ja durchaus richtig erkannt, dass Homo sapiens - insbesondere die degenerierten westlichen Untermenschen (sofern sie nicht dem Club of Rome angehören) - bloß ein überflüssiger Schädling ist, weshalb der geplünderte Planet nur dann überleben kann, wenn er entvölkert ist. Jorgen Randers, einer der beiden Autoren, bezeichnet seine eigene Tochter als das „gefährlichste Tier der Welt“, weil sie 30-mal mehr Ressourcen verbrauche als Kinder in Entwicklungsländern. Jawoll, Schluss mit der Humanitätsduselei und dem idealisierten anthropozentrischen Weltbild. Die Gattung Mensch muss endlich unsentimental rein zoologisch betrachtet und gehandhabt werden. Die Lösung der Menschenfrage allein durch die Kinderlosigkeitsprämie zu erreichen ist allerdings naiv und zu kurz gedacht. Der Vorschlag ist zwar gut gemeint, aber völlig unausgegoren, auf halbem Wege stehen geblieben. Vielmehr bedarf es eines flankierenden Maßnahmenkatalogs:
Kinderlosigkeit ist das Schlachtfeld der modernen Frau im Kampf für eine schöne neue Welt. Deshalb sollten kinderlose Frauen, diese Heldinnen der Jetztzeit, nicht nur mit schnödem Mammon, sondern auch mit höchsten Ehren überhäuft werden durch die Verleihung eines Ordens in feierlichem Rahmen mit Streichquartett und Schnittchen - das Anti-Mutterkreuz. Umgekehrt müssen Frauen, die geferkelt haben, die Frevelhaftigkeit ihres Tuns öffentlich bekunden, indem sie einen Schandhut und an der Kleidung einen scharlachroten Buchstaben (G für „Geburten“) tragen samt Stückzahl ihrer gesellschaftlich unerwünschten Brut.
Die Prämie muss um eine Härtefallregelung ergänzt werden: Einerseits gibt es immer noch Frauen, die asozialerweise Kinder haben möchten, aber infolge organischer Probleme oder mangels Mann oder wegen Mann mit organischen Problemen keine bekommen können. Andererseits gibt es Frauen, die ungewollt (Pille vergessen, Suff, Cannabis, Vergewaltigung) schwanger geworden sind und das Balg je schneller, je lieber wieder loswerden wollen. Hier muss ein Biomaterial-Emissionsrechtehandel eingeführt werden: Die leibliche Mutter übereignet ihr Kind an die andere Frau. Dadurch gilt Erstere wieder als Nullipara und ist berechtigt, die Prämie einzustreichen (natürlich abzüglich der Kosten für Entbindung und U1). Letztere gilt nun als Gebärende und verliert den Prämienanspruch (zumindest solange sie nicht doch lieber die Kohle will und das Kind ihrerseits verscherbelt).
Hat ein Neugeborenes infolge einer unheilbaren, lebensbedrohlichen Krankheit absehbar nur eine kurze Verfalldauer, so wird der Mutter je nach Abgangstermin eine anteilige Prämie gezahlt - Zeit ist Geld. Handelt es sich erfreulicherweise sogar um eine Totgeburt, so wird die Prämie in voller Höhe gewährt zzgl. eines Bonus für die Entsorgungskosten.
In Konsequenz muss es auch Prämien für Schwangerschaftsabbrüche geben. Um auszuschließen, dass allein zum Zwecke der Bereicherung künstliche, will sagen: nicht ernst gemeinte Befruchtungen durchgeführt werden, ist eine permanente, umfassende Verkehrsüberwachung erforderlich.
Durch eine am EU-Landwirtschaftsrecht angelehnte Schlachtprämie müssen auch postnatale Abtreibungen, solange die Eltern das Sorgerecht haben, gefördert werden, um den Tsunami - ich will nicht direkt sagen: lebensunwerten, aber - entbehrlichen neuen Lebens einzudämmen (in Deutschland horrende 1,47 Würfe je weibliches Unnutztier). Nicht die von einem reproduktionsfixierten, die Grenzen des Bevölkerungswachstums ignorierenden Gott („Seid fruchtbar und mehret euch!“) angetriebenen Maria und Josef, sondern Magda und Josef, beseelt von einer gänzlich anders gearteten höheren Macht, die das Menschenüberschussproblem schon längst in prophetischer Hellsicht erkannt und innovative, höchst effiziente Gegenmaßnahmen ergriffen hatte, müssen der Leitstern künftiger Familienplanung sein.
Eltern, die auf überkommenen Konventionen beruhende Skrupel haben, können ihren familiären Ballast stattdessen in öffentlichen Sammelstellen (ähnlich den so überaus bewährten Babyklappen) verklappen. Die Verschläge sind durch Stahlgitter, Stacheldraht und Elektrozaun gegen unbefugtes Verlassen gesichert und werden täglich geleert. Der Inhalt wird sofort von Spezialkräften ... nein, nicht was Sie jetzt denken, sondern zum unentgeltlichen, gemeinnützigen Arbeitsdienst abtransportiert. Dies ist ein kleiner Ausgleich für den skandalösen Umstand, auf den Jorgen Randers hinweist, dass die - immense öffentliche Gelder verschlingenden - Nachkommen erst mit 25 Jahren ins Erwerbsleben kommen und Steuern zahlen.
Der literaturhistorische Kontext: 1965/66 begann Samuel Beckett mit der Niederschrift der Endzeit-Parabel „Le Dépeupleur“ („Der Verwaiser“) und unterbrach die Arbeit sodann für einige Jahre. 1968 wurde der Club of Rome gegründet. 1970 nahm Beckett die Arbeit am „Verwaiser“ wieder auf und vollendete den Text. Woher hatte er plötzlich die Inspiration, um seine mehrjährige Schreibblockade zu überwinden? Der Zusammenhang liegt klar auf der Hand: Es kann nur die Entstehung des Club of Rome gewesen sein, der sich mit seinem Vorschlag, die Fortpflanzung der Menschheit einzustellen, nun als der „Entvölkerer“ zu erkennen gibt. Diesen zu finden ist die letzte Hoffnung der aller Hoffnung beraubten menschlichen Körper, die in einem ausweglosen zylindrischen Raum - Allegorie der Menschenwelt - gefangen sind.
Als kleines Schmankerl rät der Club, die Erbschaftsteuer auf 100 % zu erhöhen. Ich als Beamter kann das nur begrüßen, da es sich um eine echte Verwaltungsvereinfachung handelt. Faktisch ist dieser Vorschlag - typisch Club of Rome - jedoch überholt, denn ohne Nachkommen gibt es auch keine Erben, sodass die Erbmasse ohnehin vollständig dem Staat zufällt (§ 1964 BGB). Dennoch sollte der Steuer-Aspekt aufgegriffen werden, und zwar in Form einer Kindersteuer, die alle Eltern berappen müssen (analog zur Hundesteuer, denn auch die Blagen machen nichts als Lärm und Dreck, manche sind sogar gemeingefährlich). Die Höhe der Steuer muss natürlich prohibitiv sein, z. B. entsprechend den durchschnittlichen Aufzuchtkosten.
Mit 70 Jahren, da fängt das Leben an
Zur Abrundung empfiehlt der Club of Rome die Rente mit 70. Na ja, darauf sind der CDU-Wirtschaftsrat und das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft auch schon gekommen. Immerhin rennt der Club hierzulande offene Türen ein, denn wir haben ja allen Ernstes in Betracht gezogen, dass der 76-jährige Joachim Gauck für weitere 5 Jahre Bundespräsident bleiben soll - sind wir eigentlich noch zu retten? Nichtsdestoweniger erweist der Club of Rome auch auf diesem Politikfeld seine völlige Unfähigkeit, Lösungen zu entwickeln, die wirklich zukunftweisend und nachhaltig sind. Zuerst sollen die Betriebe sich mit tattrigen Mitarbeitern über 65 belasten, die völlig demotiviert sind und nichts mehr auf die Reihe kriegen, und danach sollen diese verschlissenen Abfallprodukte obendrein auf unabsehbare Zeit von der Gesellschaft durchgefüttert werden? Greise und -innen, die mittels Rollator, Knie-, Hüft-, Penis- und Zahnprothese, Hörgerät, Herzschrittmacher, Stoma, Glaukom-OP, Inkontinenzwindeln und haufenweise Medikamenten künstlich am Leben erhalten werden, verbrauchen sicherlich nicht nur das 30-, sondern das 100-fache der Ressourcen Gleichaltriger in Entwicklungsländern. Es wäre absurd und kontraproduktiv, auf der einen Seite sinnvollerweise die Herstellung neuer Menschen abzuschaffen, andererseits aber einen Rückstau nutzloser Aussonderungsfähiger entstehen zu lassen, der erst nach Jahren und Jahrzehnten biologisch abgebaut ist. Ich empfehle daher eine gerontozidale Schlusslösung am 65. Geburtstag.
Wir sollten uns jedoch tunlichst hüten, einem oberflächlichen, modischen Fetus-, Jugend- und Altenkult zu frönen und darüber die mittleren Jahrgänge zu vernachlässigen. Diese würden anderenfalls am Rande der Gesellschaft sinnlos vor sich hin existieren, abgekoppelt von den epochalen Zeitströmungen, doch haben auch sie den legitimen Anspruch, das ihrige zum Populationsdezimierungsprozess beizutragen. Zu diesem Behufe empfehle ich die Rückbesinnung auf einen deutschen Fernsehklassiker: das legendäre „Millionenspiel“ von Wolfgang Menge und Tom Toelle aus dem Jahr 1970 (!). Dieses sollte als Vorlage dienen für eine von RTLII und Phoenix produzierte Reality-Show, die Massenkultur und staatstragenden Anspruch in vorbildlicher Weise vereint: Die Teilnehmer müssen versuchen, die Mühewaltung einer Todesschwadron der Deutschen Rentenversicherung zu überleben. Wem dies gelingt, kassiert nicht nur 1 Mio. Fixum, sondern obendrein den - infolge letalen Verlaufs vorheriger Interessenten - üppig gefüllten Jackpot. In Bundesländern mit PDS-Regierungsbeteiligung kann es eine nostalgisch abgewandelte Fassung unter dem Titel „Spiel mit Grenzen“ geben. Denkbar sind auch ergebnisorientiert modifizierte Varianten von „Big Brother“ und „Dschungelcamp“, die wegen des basisdemokratischen Elements des Zuschauervotums insbesondere bei den Grünen als echt voll politisch korrekt Anklang finden dürften.
Wie kommt es, dass die Vorschläge in „Ein Prozent ist genug“ so dermaßen suboptimal und wischiwaschi sind? Ganz einfach: Das Buch ist der lebende Beweis dafür, wohin es führt, wenn gemäß dem Club-Ratschlag Menschen über 65 noch arbeiten müssen. Die Urheber selbst sind überwiegend von solcher Art, wie Politiker und Medien sie faulen Säcken wie mir, deren Lebenstraum die Altersteilzeit mit 59 ist, als leuchtendes Vorbild anempfehlen: tragische Einzelschicksale, die nicht mal mit 70 vom Arbeiten lassen können, weil sie sich für unentbehrlich halten und/oder mit ihrer Zeit nichts Besseres anzufangen wissen. Einer der beiden Autoren, der Brite Graeme Maxton (Generalsekretär des Club of Rome) ist zwar mit 56 Jahren noch vergleichsweise ein Novize. Der zweite Autor hat jedoch schon Kardinalsrang: Der Norweger Jorgen Randers (Club-Mitglied) ist 71. Die beiden Club-Präsidenten erreichen endgültig Vatikan-Niveau: Der Schwede Anders Wijkman ist 72, der Deutsche Ernst Ulrich von Weizsäcker 77.
Irgendwann wird es vielleicht wirklich so weit kommen, dass Staat, Wirtschaft und öffentliches Leben mangels Nachwuchses von solchen notdürftig hirngelifteten Seniloren gesteuert werden. Dann sehen wir aber alt aus!
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Siehe auch:
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(9.10.2016)
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