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26.8.2019

Don't panic on the Titanic!

„America, where are you now? We can't fight alone against the Monster!“ Schutzmacht USA? Hat sich was, das können wir endgültig vergessen. Dabei waren wir so voller Zuversicht und wähnten das Glück auf unserer Seite: Gerade als wir tiefster Verzweiflung anheimgefallen waren, es keine Rettung mehr zu geben schien und wir glaubten, alles sei endgültig verloren, in diesem Augenblick kam die erlösende Botschaft: Greta Thunberg zieht sich aus Europa zurück! Sollte diese Geißel wirklich und wahrhaftig von uns genommen sein? Oder handelte es sich bloß um eine zynische Fakenews, um unsere Qual noch zu steigern? Was war nicht alles versucht worden: Erst jüngst, in einem letzten Aufbäumen wider unser unentrinnbares Los, hatte eine Gruppe vermummter Widerstandskämpfer Greta im finstersten Hambacher Forst ausgesetzt, auf dass sie nie mehr zurückfinde. Aber vergeblich - sie zog sich an ihren eigenen Zöpfen wieder heraus.

Doch wir sind nicht genarrt worden, es ist tatsächlich eingetreten: Von Großbritannien aus hat Greta Europa verlassen - Brexit mal anders. Auf einem von FriFoFu-Aktionisten gekaperten Kreuzfahrtschiff ist sie auf dem Weg in die USA. Die Motoren sind ausgebaut, das Schiff wird jetzt echt voll ökobio in der Tradition der schwedischen Klima-Neutralität von rudernden Getreuen angetrieben. Um diese in ihrer Hingabe an den Großen Kreuzzug und in ihrem Sendungsbewusstsein zu bestärken, hält Greta ihnen mehrmals täglich von der Kommandobrücke eine schwedische Gardinenpredigt, worauf die Galeeristen liturgisch korrekt zu antworten haben: „Credo! Gegrüßet seist du, Greta voll des Klimaschutzes, du bist gebenedeit unter den Diversen*innen!“ Auch allen Gleichaltrigen zum Trost, die so blöd sind, sich derweil mit Schule oder Ausbildung abplacken zu müssen, statt im Scheinwerferlicht kostenlos auf einer chilligen Seereise abhängen zu können und es sich gutgehen zu lassen. „Fridays for Future“ ist für das Fußvolk, die Loser - „All days for Greta“ ist nun angesagt: permanent vacation. Tja, alle sind gleich, aber einige sind gleicher, und nur wenige sind auserwählt. Die Daheimgebliebenen dürfen sich aber tagtäglich auf allen Kanälen an Gretas Klimasoap (aktuelle Staffel: „Pirates of the Scandinavian“) ergötzen, die sogar noch cooler ist als Promi-Bigbrother, die Geissens und Bibis Beautypalace.

In Amerika wird Greta, der Inbegriff des Bürgerschrecks, anlässlich des 50. Jahrestages eine Easy-Rider-Revival-Tour quer durch das Land unternehmen, auf einem Tretroller mit verlängerter Vorderrad­gabel und hochgezogenem Chopperlenker. Und mit Segelunterstützung. Damit jeder Tag ein Froint ist, hat sie kiloweise heiße Ware im Gepäck: Tofu-Lollis - born to be wild! Vor allem aber wollte Greta ihren amerikanischen Traum wahrmachen: eine Begegnung mit Donald Trump. Der ist Gretas mächtigster Gleichgesinnter (Luisa Neubauer reicht auf Dauer nicht), denn zu seinem Regierungsapparat gehört das Heimatschutzministerium. Schon der Untote in „Er ist wieder da“ hatte erkannt: Umweltschutz ist Heimatschutz. Gretas Geistesblitz (na ja), sich mit der Parole „Make America greta again!“ an Trump ranzuschleimen, ging allerdings voll daneben - er begriff das Wortspiel nicht. Stattdessen ist Trump total in Panik geraten, menschlich verständlich, aber eines Führers unwürdig, und hat ein Treffen mit Greta kategorisch abgelehnt. Und auf welche Art und Weise: Statt ihr wenigstens eine gediegene diplomatische Note zukommen zu lassen, twitterte Trump kurzerhand: „F*** you, Greta!“ Absolut indiskutabel. Auch gegenüber den verhassesten Feinden sollte man in der öffentlichen Auseinandersetzung ein Mindestmaß an Stil und Form wahren (so wie ich sie - ich darf wohl sagen: vorbildlich - gegenüber der Scheiß-PDS und den AfD-Arschlöchern walten lasse). Verbalinjurien alleruntersten Niveaus à la Trump sind da genauso unangemessen wie die verbreitete Unsitte, Greta mit Hohn und Spott zu überziehen, jüngst das ehemalige Supermodel Eva Herzigova, die verlautbarte: „Greta Thunberg ist ein Supermodel.“ Das geht einfach zu weit - das arme Mädchen kann doch nichts dafür.

Durch seine wie üblich nassforsche Ankündigung, er werde als Abwehrmaßnahme eine Mauer an der Grenze zu Schweden errichten, hat Trump sich zwar wie üblich bis aufs Hemd der Lächerlichkeit preisgegeben, aber das ändert nichts am Ergebnis: Die USA werden uns nicht beistehen. Für unsere Enttäuschung finden wir keine Worte. Wir hatten so große Erwartungen in Trump gesetzt: Nachdem er sich mit Kim Jong Un in Nordkorea getroffen hatte, glaubten wir: Was für ein Kerl, der hat vor nichts und niemandem Angst. Natürlich ist Greta eine ganz andere Nummer als irgend so ein dahergelaufener größenwahnsinniger Diktator mit seinem Atombomben-Arsenal, und man kann es den Amerikanern nicht verdenken, dass sie die Anreise der kleinen Meer-Jungfrau als das Herannahen monströser, archaischer Verheerung betrachten („I see a dark sail on the horizon/set under a black cloud that hides the sun“), aber für solchen Kleinmut, ja Feigheit, für diese egoistische, unsolidarische Sankt-Florian-Haltung gibt es dennoch keine Rechtfertigung. Trump und Greta hätten das Traumpaar des Jahrhunderts werden können: der Schönling und das Biest. Vielleicht hätte es gar ein Musical über sie gegeben („Hair reloaded“). Sie könnten gemeinsam alt werden und einander ruhigstellen, indem sie sich ununterbrochen über das austauschen, was ihnen gemein ist, das einzig Herausragende an ihnen, das sich in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingebrannt hat, wodurch sie Epochales leisten und zu den ganz Großen der Weltgeschichte geworden sind: ihre beknackten Frisuren.

Unser innigster Wunsch war es, dass Greta auf ewig in den USA bleibt - für eine GreenCard ist sie doch prädestiniert. Auf diese Weise sind wir schon Thomas Gottschalk und Heidi Klum losgeworden. Doch all unsere Hoffnungen sind nun zerstoben: Bald ist sie wieder da. Diesen Schwedentrunk müssen wir also ganz allein bis zur bitteren Neige auskosten - auf die Hilfe der USA dürfen wir nicht mehr zählen. So erfüllt sich unser Schicksal, so schließt sich der Kreis: Kreta war die Wiege der europäischen Zivilisa­tion, Greta ist ihr Massengrab. Und in den treulosen USA, die uns so schnöde im Stich gelassen haben, werben Reiseveranstalter wieder mit dem Slogan: „Besuchen Sie Europa, solange es noch steht.“

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