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26.4.2018

Politkrimi

Hochspannung pur, nervenzerfetzend! Sie meinen, die fünfeinhalb Monate zwischen Bundestagswahl und SPD-Mitgliedervotum seien die übelste Staatskrise in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen, unwürdig einer hochentwickelten, fast 70 Jahre währenden westlichen Demokratie? Deutschland habe sich vor dem Rest der Welt als Dösbaddel entblößt, eine Blamage sondersgleichen geleistet und der Lächerlichkeit preisgegeben? So saudämlich und instabil, so unsouverän und stümperhaft, dass alle Putins, Trumps und Erdoğans dieser Erde sich vor hämischer Genugtuung ihre schmutzigen Hände reiben? Wenn Sie so denken, offenbaren Sie nur, dass Sie von Politik keinen blassen Schimmer haben. Tatsächlich war diese Phase ein echt voll geiles Fun-Event! Sagt - in etwas staatsfrauischeren Worten - Daniela Kolbe, sächsische SPD-Generalsekretärin und nebenbei Bundestagsabgeordnete: Die Debatte, welche die SPD wg. GroKo geführt habe, sei „großartig“ gewesen, „leidenschaftlich“ und „spannend wie ein Krimi“ - „davon brauchen wir mehr“. Tatsächlich: Betrachtet man die Filmografie von „SOKO Leipzig“, so finden sich verblüffende Parallelen zur SPD und ihren (gewesenen) Protagonisten:

Partei: Horrorhaus; Im Schattenreich. Wahlergebnisse: Am Abgrund; Abgestürzt. Zukunft der SPD: Eiszeit; Angst; Verzweiflung; Abschied für immer. Martin Schulz: Recht und Gerechtigkeit; Mann ohne Gedächtnis; Flucht ins Vergessen; Einsam; Abgetaucht; Durchgebrannt; Spurlos verschwunden. Sigmar Gabriel: Dienstschluss; Ich bin dann mal weg. Andrea Nahles: Topstar gesucht! Olaf Scholz: Einer zahlt immer; Schuldenschnitt. Kevin: Wunschkind; Toy Boy. Jusos: Außer Kontrolle; Der Aufstand. Linksbündnis PDS: Kein Platz für Moral; Niedrige Beweggründe; Irre; Der Sumpf; Die Schlangengrube; Tödliche Falle; Der Komplize; Im Schafspelz; Totengräber; Pest und Cholera; Der letzte Dreck. Mitgliedervotum: Sein oder Nichtsein; Schlecht beraten; Dumm gelaufen. Oppositionsauftrag: Wohlfühl GmbH; Heile Welt. GroKo: Der einzige Ausweg; Verhängnisvolle Heimkehr; Ein fragwürdiger Deal; Luftnummer; Risiken und Nebenwirkungen; Fightclub. Und über allem thront Angela Merkel und hat die Sozen am Gängelband: Chefsache.

Aber nicht nur fernguckende Sofakartoffeln und Leser blutrünstiger Groschenromane kommen bei der SPD auf ihre Kosten, sondern auch die intellelle Elite wird bestens bedient: Ein leibhaftiger Philosoph, Jürgen Habermas, versuchte sich in einem Zeit-Artikel als Personalentwickler, indem er Sigmar Gabriel das Unentbehrlichkeitszertifikat als Außenminister erteilte. Die Spaß-Partei Deutschlands und ihr durchgeknalltes Ensemble sind die idealen Forschungsobjekte für Habermas, der in früheren Werke deren jetzige Situation bereits antizipierte: „Vergangenheit als Zukunft“, „Eine Art Schadensabwicklung“, „Die neue Unübersichtlichkeit“ und vor allem: „Kommunikatives Handeln und detranszendentalisierte Vernunft“ - schlimmer kann's nicht mehr kommen.

„Davon brauchen wir mehr.“ Kann Frau Kolbe haben: Sofern nach der nächsten Wahl neuerlich die beiden antidemokratischen, koalitions-inadäquaten Parteien im Bundestag hocken, wird Hängepartie 2.0 zwangsläufig sein. Insofern sollte die SPD im Nachspann der zurückliegenden Politklamotte lobend erwähnen, wem dieser Spaßfaktor zu verdanken ist: dem Vorhandensein von PDS und AfD. Was aber, wenn nach der nächsten Bundestagswahl diese beiden sog. Parteien aus dem Bundestag verschwunden wären? Die AfD ist bislang eine wackelige Kiste: Noch besteht Hoffnung, dass sie trotz anfänglichen Publikumserfolges sich doch nicht als dauerhafter Quotenkracher etabliert, sondern nach der ersten Staffel wieder in der Versenkung verschwindet. Um die PDS hingegen braucht uns nicht bange zu sein: Diese Endlosserie ist tief im kollektiven Bewusstsein der Ostdeutschen verankert, die werden wir nie mehr los - hartnäckiger als „Polizeiruf 110“.

Gerade hat die SPD uns nachhaltig angefixt („davon brauchen wir mehr“), da liegt wieder eine endlos lange Durststrecke öden Regierens und Opponierens vor uns. Drei Jahre sollen wir es nun ohne Gänsehaut und Nervenkitzel aushalten? Och nö! DSDS und GNTM finden doch auch jedes Jahr statt. Immerhin will die SPD die GroKo nach 2 Jahren überprüfen - es besteht also Hoffnung auf ein vorgezogenes Krimi-Sequel. Für die Zwischenzeit ist die ARD gefordert, in die Bresche zu springen und ihrem Bildungs- und Bespaßungsauftrag nachzukommen: Um dem spannungssüchtigen TVolk den Entzug bis zum nächsten Wahlkrampf zu versüßen, muss aus dem langweiligen Polit-Alltag der größtmögliche Unterhaltungswert destilliert und in einen altbewährten Fernsehdauerbrenner eingebaut werden: Tatort Berlin.

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(26.4.2018)

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