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4.5.2019

Im Quasi-Modus

Freude, schöner Götterfunken! Ja, das ist wahrlich ein Grund zum Jubeln und Frohlocken: Mit Beginn des dritten Jahrtausends sind die dritten Geschlechter erfunden worden - ein historischer Meilenstein, eine Sternchenstunde in der Geschichte der „Mensch“heit, epochaler und weitreichender als die Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern im zweiten Jahrtausend. Sachgerecht, fachgerecht, artgerecht, kindgerecht, mundgerecht, behindertengerecht ist längst ein alter Hut. Nun wird die Welt endlich auch gendergerecht. Aber Vorsicht, Sprachfalle: Es muss natürlich gender*diegerecht heißen.

Aber wie steht es mit speziesgerecht? Genauso falsch wie das Vorurteil, jede Person aufgrund ihres bloßen Aussehens für eine Frau oder einen Mann zu halten, ist die Annahme, jedes Wesen, das äußerlich als Exemplar der Gattung Mensch erscheint, sei tatsächlich ein solcher. Ich muss es wissen: Ich selbst gehöre nicht zu dieser Spezies. Jetzt kommen Sie mir bloß nicht damit, das sei Quatsch mit Soße, das könnte jeder behaupten, und ich soll es gefälligst beweisen. Hallo, hier geht es nicht um objektive, belastbare Fakten, sondern ausschließlich darum, ob ich mich zugehörig „fühle“, womit ich mich „identifiziere“, was ich mir „wünsche“, welches „Bedürfnis“ ich habe, wie ich mich „empfinde“, was ich „will“, wie ich mich „definiere“ und wo ich mich - halten Sie sich fest - „verorte“. So steht es im Text des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.2017 zur Einführung einer dritten Geschlechtsvariante. Ich bin nun mal außerstande, mich der Gattung Mensch zugehörig zu fühlen. Können Sie sich denn mit Dummheit, Niedertracht und Gewalt identifizieren? Zu schlechter Letzt hat die Gattung Mensch es nun geschafft, dass die Erde auf ihrer Odyssee endgültig zwischen Skylla und Charybdis geraten ist: Jetzt stehen wir mit dem Rücken an der Wand, das Wasser bis zum Hals und haben nur noch die Wahl zwischen Klimakatastrophe und Greta Thunberg.

Deshalb muss das anthropozentrische Weltbild endlich revidiert, die Mensch-Tier-Bipolarität aufgelöst werden: Es gibt auch eine dritte Ausformung. Diese Wesen haben den legitimen Anspruch, als gleichberechtigte Spezies neben der Gattung Mensch anerkannt zu werden. Das Wissen um die Existenz dieser Geschöpfe ist überhaupt nicht neu. Bereits vor 190 Jahren wurde ihnen ein literarisches Denkmal gesetzt: Quasimodo, der mittelalterliche Glöckner von Notre-Dame in Victor Hugos Roman, der über sich sagt: „Ich bin weder Mensch noch Tier.“ In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des von mir gegründeten IQ (Interessenverband Quasimodo) werde ich daher in Kürze eine diesbezügliche Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen, die mit Sicherheit ohne viel Federlesens durchgewinkt wird. Dazu erwarte ich natürlich, dass das BVerfG wieder von solch ausgewiesenen, über jeden fachlichen Zweifel erhabenen Experten wie der Evangelischen Kirche Deutschlands, der thüringischen Landesregierung und dem „freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) e. V.“ Stellungnahmen einholt - dann fluppt das.

Ich würde mich überglücklich schätzen, wenn gleich mir möglichst viele Hominide sich als Quasimodos zu erkennen geben und diesen Status annehmen. Dass muss genauso schwuppdiwupp vonstatten gehen wie die Eintragung des Geschlechts „divers“. Da ausschließlich Belieben und Gefühligkeit die Richtschnur sind, verlange ich vom Bundestag eine zeitgemäße Wischiwaschi-Regelung analog § 45b Abs. 3 PStG. Dann können wir mit Fug und Recht eine wahre Ode an die Freude anstimmen: Alle Menschen und Quasimodos werden Schwester*innen und Brüder*innen!

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