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11.4.2020

Religions-Führer

Credo! Neuerlich stellt die CDU ihre Unfehlbarkeit nicht nur in politischen, sondern vor allem in Glaubensfragen unter Beweis: Werner Henning, Landrat des erzkatholischen Eichsfeld-Kreises in Thüringen, verkündete im Februar ex cathedra, das linke Menschenbild sei auf solidarisches Miteinander gerichtet, und dieses solidarische Miteinander sei gleichermaßen ein christliches Weltbild, weshalb die Tolerierung der PDS-geführten Minderbemitteltenregierung zulässig sei. Dieses solidarische Miteinander verwirklichte die PDS schon einmal im Übermaß: während des 44-jährigen Reiches, als sie noch ihren Seelennamen SED trug. Wie ein guter Hirte sorgte die allein selig machende Heilige Mutter Staatspartei für ihre Schäflein, ließ sie keinen Augenblick aus den Augen, überwachte jeden ihrer Schritte, wiegte sie in Schaafssicherheit und achtete in Sonderheit darauf, dass keines die Hürde verlasse, auf dass es nicht von den kapitalistischrevanchistischfaschistischen BRD-Wölfen vernascht werde. Es sei ferne von mir, socialmediaartige Gerüchte in Umlauf zu bringen, doch wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der aktive Evangele Bodo Ramelow ist der wiederauferstandene Christus, und das armselige Häuflein der SPD- und Grünen-Abgeordneten sind seine gutgläubigen Jünger*innen. Zur Feier dieses Osterwunders wird die Thüringer PDS sich umbenennen: PTS - Partei des Theokratischen Sozialismus.

Doch auch in der AfD ist von Nihilismus und Weltverneinung, die Henning zu erkennen meint, keine Spur. Vielmehr hat in ihrer glorreichen Tradition religiöses Bekenntnis seit jeher einen festen Platz: Adolf Hitler glaubte an einen Gott, der ihn gesandt habe. Zwar nicht der namensberaubte Christengott, nicht Jahwe (der schon mal gar nicht), nicht Allah (obwohl er den Islam so überaus schätzte), sondern nur einer Marke Eigenbau, aber immerhin. Und Björn Höcke ist der leibhaftige Gottseibeiuns.

„Eli, eli, lema sabachthani!“ möchte man - wie der mit der Corona de Spinis - ob der thüringischen Passionsgeschichte ausrufen, „hilf doch!“, als wär 's ein Film von Werner Herzog: „Jeder für sich und Gott gegen alle“. Doch jeglichen Unkenrufen zum Trotz: Thüringen ist nicht Afghanistan, wohin Gott nur noch zum Weinen kommt, ganz im Gegenteil: Es ist Gottes eigenes Land. Deshalb zelebrierte sein irdischer Stellvertreter 2011 im Eichsfeld eine Mega-Messe, und 500 Jahre zuvor weilte auf der Wartburg ... wie hieß er noch gleich, nicht Karl Marx, dieser andere ... na, Sie wissen schon.

„Die alte Bundesrepublik kommt in ihrer Philosophie nicht mehr unbedingt weiter“, konstatiert Henning - ex oriente lux: „Von Thüringen gehen neue Impulse aus“, dies sei ein „Zeitenumbruch“. Das ist eine Drohung, die man ernst nehmen muss, ungleich mehr als eine bloße Wende. Nachdem das Volk unter Führung seiner marxistisch-nationalistischen Parteien im Referendum vom 27. Oktober mit 54%iger Mehrheit für den Thexit stimmte (Thüringens Austritt aus der demokratischen Gemeinschaft), steht das Land vor einer großen Zukunft: Unleashing Thuringia's Potential.

Es gibt jedoch eine Alternative für Thüringen (die ganz in Hennings Sinne sein dürfte): Das gesamte Land wird in ein riesiges Aschram verwandelt, und das Volk versenkt sich in fern-östliche Meditation - einmal Nirwana und zurück. Sobald es die Stufe höchster Erleuchtung erreicht hat, wird neu gewählt: null PDS, null AfD.

Om mani padme hum.

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(11.4.2020)

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