12.4.2020
Wählerstimmen stinken nicht
„Mehr Prügel als Flügel“ lautet der deutsche Titel eines Erzählungsbandes von Samuel Beckett. Erstere erntet Jörg Meuthen, der Dietmar Bartsch der AfD, für seinen Vorschlag, Letzteren von der Partei abzuspalten. Björn Höcke, der Sahra Wagenknecht der AfD, bezeichnet diese Absicht als töricht und verantwortungslos - also genau das, wofür die AfD nun mal steht. Alexander Gauland, der Nebenmann von Alice Weigel (müssen Sie mal drauf achten), bezeichnet den Meuthen-Plan als wenig zielführend und extrem unpolitisch - also genau das, wofür die AfD nun mal steht.
Dieser allgemeinen Ablehnung liegt ein fundamentales Missverständnis zugrunde: Prof. Dr. Meuthen, im Zivilberuf Wirtschaftswissenschaftler, bewertet die Effizienz einer Partei ganz unsentimental allein anhand ökonomischer Kriterien, weil er erkannt hat, dass sie heutzutage mit modernen Managementmethoden geführt werden muss wie ein Unternehmen. Nehmen wir mal einen beliebigen Wirtschaftszweig, z. B. - fällt mir gerade so rein zufällig ein - die Organisierte Kriminalität (italienisch „Mafia“, amerikanisch „Mob“ = Meuthe). Diese ist - wie der Name schon sagt - perfekt durchorganisiert: Die eine Bande spezialisiert sich auf Zwangsprostitution, eine andere auf Heroinhandel, die dritte auf Schutzgelderpressung. Das sind lediglich verschiedene Geschäftsmodelle innerhalb derselben Branche. So kommen sie sich gegenseitig nicht ins Gehege und alle auf ihre Kosten. Genauso hätte sich die Arbeitsteilung à la Meuthen gestaltet: Der Flügel ist für die Neo-Nazis zuständig, der klägliche Rest der AfD für die Rechtsradikalen. Gerade der AfD als mit Abstand jüngster Partei (7 J.) hätte hier eine Vorreiterrolle gebührt. Das wäre Exempel und Ansporn für die ganze Korona der etablierten Parteien, ihre verkrusteten Strukturen auf Vordermann*in zu bringen: SPD (157 J.), PDS (101 J.), FDP (72 J.), CDSU (70 J.), Grüne (40 J.).
Ich komme nicht umhin, eine Lanze für Meuthen zu brechen: Er ist doch kein Kaputtsanierer, er lehnt den Flügel ja nicht kategorisch ab, hält ihn nicht für höchst gemeingefährlich, distanziert sich nicht davon, will ihn nicht eliminieren - so wie die Zuhälter, Dealer und Erpresser einander nicht die Daseinsberechtigung absprechen. Vielmehr will er den Flügel allein aus Gründen der Stimmengewinnmaximierung outsourcen. Es ist mehr als bedauerlich, dass diese Chance eines zukunftsweisenden Innovationsschubs leichtfertig vertan worden ist. Daraus hätten Synergieeffekte erwachsen können, eine Win-win-Situation zu beider Nutzen, unter dem gemeinsamen Dach eines Konsortiums mit werbewirksamem Namen: Ehrenwerte Gesellschaft.
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(2.5.2020)
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