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Zwischen den Fronten
01.12.2006
Welch rührende Mischung aus Winkeladvokaterie und infantiler Cowboy-und-Indianer-Romantik: Dieser Herr Bush - nur noch die eigene götzendämmernde Karikatur, aber irgendwie werden wir ihn und seine Mischpoke auch vermissen, wenn sie in Schimpf und Schande abgetreten sein werden - begründet die Forderung nach verstärktem Truppeneinsatz im Süden Afghanistans damit, ein Angriff auf ein Nato-Mitglied sei ein Angriff auf alle. Und warnt vor einem Scheitern der Mission von 37 Staaten. Die Warnung kommt zu spät: Das Projekt Afghanistan ist bereits gescheitert (was aber - um selbstgefälligem Wir-haben-es-doch-gleich-gewusst und hämischem Gefeixe zuvorzukommen - kein Beweis dafür ist, dass es falsch war, es zu versuchen). Doch das Projekt Afghanistan ist nicht geeignet für den aus finsterer Vorzeit überkommenen Ehrenkodex der Nato. Ebenso wenig für den entpolitisierten Kuschel-Pazifismus von Gutmenschen, die auf ihrem gemütlichen Sofa hocken, keine Entscheidungen zu treffen und keine Verantwortung zu tragen brauchen, und auch nicht für den heimtückischen Heuchel-Pazifismus der PDS, der nur als Totschlag-Argument in ihrem ideologischen Guerillakrieg gegen die Republik dient. Das Projekt Afghanistan begann vor fünf Jahren als Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung, um die Urheber der Anschläge vom 11.09.2001 unschädlich zu machen und vor Gericht zu stellen. Jeder andere Staat - auch jeder islamische - hätte aus eigenem Antrieb und Interesse versucht, die Mörder einzufangen und abzuurteilen oder auszuliefern. Das Taliban-Regime jedoch schützte Al-Quaida und verhöhnte die Welt. So wie die Polizei nicht anders kann, als ein Haus, worin Mördern Unterschlupf gewährt wird, mit Waffengewalt zu stürmen und den Hauseigentümer ebenfalls auszuheben, so konnte die Weltgemeinschaft nicht anders, als Afghanistan militärisch anzugreifen und das Taliban-Regime zu stürzen.
Wenn alle Verhandlungsversuche zynisch abgeblockt worden sind, ist die Weltgemeinschaft stets berechtigt und verpflichtet, als letztes Mittel ein Land, das andere Länder mit Krieg überzieht, Völkermord begeht oder monströse terroristische Massenmorde fördert, militärisch anzugreifen und zu besetzen. Dieser Grundsatz ist leider sehr viel leichter gesagt als geschehen, denn natürlich mündet auch legitime Gewalt immer, von vornherein und ausschließlich in einen Albtraum aus Tod und Todesangst, ob im Großen militärisch oder im Kleinen, wenn die Polizei gegen einen durchgedrehten Amokläufer vorgehen muss. Und in jedem Augenblick kann auch legitime Gewalt außer Kontrolle geraten und Todesopfer unter Unbeteiligten verursachen, denn Gewalt ist niemals kontrollierbar, am wenigsten, wenn es sich beim Gegner um den Abschaum handelt.
Ein solches Vorgehen ist jedoch nur dann erfolgreich, wenn binnen kurzem wieder zivilisierte, geordnete Verhältnisse in dem besetzten Land herrschen. Anarchie und Gewalt in Afghanistan aber nehmen stetig zu, die Zahl der Toten unter den ausländischen Soldaten wächst und wächst, und kein Ende ist abzusehen. Daher müsste das Projekt Afghanistan eigentlich abgebrochen werden. Dies hätte zwangsläufig die erneute Machtergreifung der Taliban zur Folge - für die Afghanen eine Katastrophe, deren Verhinderung aber nicht den Tod ausländischer Soldaten rechtfertigt. Die moralische Verpflichtung der Weltgemeinschaft bestünde nur noch darin, die aufgeklärte afghanische Elite, die der erbarmungslosen Rache der Taliban am meisten ausgeliefert wäre, vor dem Abzug zu evakuieren. Ein neuerliches Taliban-Regime würde aber obendrein Al-Quaida zurückholen und Unterschlupf gewähren, denn nur bei den Roten Khmer des Islam können die Terroristen ungehindert agieren. Erst dadurch wären die legitimen Belange der Weltgemeinschaft wieder existenziell berührt. Und alles würde wieder von vorn beginnen.
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(03.12.2006)
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