13.2.2016
Studieren statt inhalieren
Im Juli 2014 machte ich eine weitere verblüffende Entdeckung am Wegesrand, nicht ganz so bombastisch wie die verbockte Bierreklame, aber nicht weniger anstößig und provozierend. Dies veranlasste mich am 23.7.2014 zu folgender Email:
Studentenwerk Göttingen
Stiftung öffentlichen Rechts
Platz der Göttinger Sieben 4
37073 Göttingen
Sehr geehrte Damen und Herren,
so muss Kundenorientierung sein: Schon an der Auffahrt zur UMG wird man von einem zwar stummen, aber rund um die Uhr einsatzbereiten Mitarbeiter begrüßt - einem Zigarettenautomaten. Er mag schon seit einiger Zeit getreulich und wetterfest (so muss Personal sein) seinen Dienst verrichten, aber da ich nur selten dort entlang gehe, ist er mir erst jetzt aufgefallen. Es dauerte einige Augenblicke, bis mir klar wurde, dass der Zigarettenautomat erfreulicherweise nicht zur UMG, sondern zum Studentenwerk gehört: Er steht auf dem Gelände des Studentenwohnhauses Robert-Koch-Str. 38 (die UMG hat die Hausnr. 40), aber unmittelbar an der Grundstücksgrenze zur UMG. Es ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der Passanten diesen feinen Unterschied nicht kennt, sondern das vergleichsweise kleine Gelände des Studentenwohnhauses, das von 3 Seiten vom UMG-Gelände umfasst ist, als Teil der UMG betrachtet. Auch mir, obwohl seit 30 Jahren UMG-Mitarbeiter, unterlief dies im ersten Moment.
Es ist von vornherein völlig inakzeptabel, dass eine öffentliche Einrichtung wie das Studentenwerk der Sucht anderer Menschen Vorschub leistet und sich daran bereichert: Das ist schmutziges Geld (man könnte auch sagen: Schwarzgeld - so schwarz wie eine Raucherlunge). Im vorliegenden Fall bedeutet der Zigarettenautomat aber zudem eine Rufschädigung für die UMG. Es darf nicht sein, dass sich an Stellen, die als Gelände der UMG wahrgenommen werden, Zigarettenautomaten befinden. Jeder, der schon einmal gehört hat, dass die UMG Mitglied im „Deutschen Netz rauchfreier Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen“ ist, worauf die UMG auf ihren Intranet- und Internet-Startseiten hinweist, kann beim Anblick dieses Zigarettenautomaten nur milde lächeln bis hämisch grinsen. Um es klar zu sagen: Dieser Zigarettenautomat ist eine Unverschämtheit und unerträgliche Provokation.
Ein weiterer Zigarettenautomat befindet sich etwas weiter südlich am unteren Ende des Gelände des Studentenwohnhauses - natürlich ebenfalls direkt neben UMG-Gelände.
Ich bitte Sie eindringlich, die beiden Zigarettenautomaten unverzüglich ersatzlos entfernen zu lassen. Sollten Sie gegenüber dem Nikotin-Dealer vertraglich gebunden sein, dann kündigen Sie den Vertrag und zahlen Schadenersatz - Strafe muss sein.
Kopien dieser E-Mail sende ich an die UMG und die Universität sowie an die regionalen Medien.
Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen
Dietrich Klabunde
Nach einigen Wochen war der abgebildete Zigarettenautomat verschwunden. Sei es, dass ich mich wie üblich missverständlich ausgedrückt hatte, sei es, dass das Studentenwerk sich künstlich dumm stellte - der weitere Zigarettenautomat blieb erhalten. Daher versandte ich am 10.9.2014 eine weitere Email:
Studentenwerk Göttingen
Stiftung öffentlichen Rechts
Platz der Göttinger Sieben 4
37073 Göttingen
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke Ihnen sehr, dass Sie den Zigarettenautomaten an der Auffahrt zur UMG entfernt haben. Der in meiner E-Mail vom 23.07.2014 ebenfalls genannte, etwas südlich neben dem UMG-Gebäude Robert-Koch-Str. 34 stationierte Zigarettenautomat ist jedoch weiterhin vorhanden.
Er befindet sich in trauter Zweisamkeit mit dem Firmenschild des Studentenwerks: „Wir gehören zusammen!“ Wie ein trutziger Beschützer und Mentor steht das Studentenwerk neben dem goldigen, kleinen Zigarettenautomaten - peinlicher und obszöner geht es nicht mehr. Der gute Ruf Ihres eigenen Betriebes sowie Ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft im Allgemeinen und Ihrer Klientel im Besonderen sind Ihnen offensichtlich völlig gleichgültig. Entspricht das Feilbieten von Suchtmitteln Ihrer Verpflichtung, die Studierenden gesundheitlich zu fördern und zu beraten (§ 68 Abs. 2 Satz 1 Niedersächsisches Hochschulgesetz)? Andererseits - die Studis sind doch rundum versorgt: Erst können sie sich mit tatkräftiger Unterstützung des Studentenwerks vollqualmen, dann gehen sie zu den von der Universität veranstalteten Präventionstagen und lassen kontrollieren, wie weit Bluthochdruck und Verstopfung der Blutgefäße inzwischen gediehen sind. Und wer sich zum Uni-Sport begibt (weißes Schild), wird gleich in die richtige Richtung zum Nachtanken gelenkt.
Auch dieser Zigarettenautomat befindet sich unmittelbar neben UMG-Gelände, insbesondere deren Kindertagesstätte (blaues Schild). So dient der Zigarettenautomat auch als pädagogisch wertvolles Menetekel, welches schon die Kinder damit vertraut macht, dass das Leben nicht immer nur ein Ponyhof ist, sondern auch aus Krankheit und Tod besteht.
Nichtsdestoweniger bitte ich Sie eindringlich, auch diesen Zigarettenautomaten unverzüglich ersatzlos entfernen zu lassen.
Kopien dieser E-Mail sende ich wie üblich an die UMG und die Universität sowie an die regionalen Medien.
Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen
Dietrich Klabunde
Einige Wochen später war auch dieser Zigarettenautomat sang- und klanglos verschwunden. Und einige Monate später sandte mir das Studentenwerk mit Email vom 15.4.2015 sogar eine Vollzugsmeldung:
Zigarettenautomaten auf dem Gelände des Studentenwohnhauses Robert-Koch-Str. 38
Ihre E-Mails
Sehr geehrter Herr Klabunde,
bezüglich Ihrer Anregung, die Zigarettenautomaten auf dem Gelände des Studentenwohnhauses in der Robert-Koch-Str. 38 zu verlegen, möchten wir Ihnen mitteilen, dass die Verlegung beider Zigarettenautomaten aus der unmittelbaren Nähe zum Universitätsklinikum Göttingen erfolgt ist.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Studentenwerk Göttingen
Damit war diese Akte erfolgreich geschlossen. Dass das Studentenwerk meine eindringliche Bitte zur „Anregung“ herunterzuspielen versuchte, sei ihm zwecks Gesichtswahrung verziehen - allein das Ergebnis zählt.
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(23.10.2017)