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16.10.2019

Schlecht aufgehoben

Wie konntet ihr es Wagenknecht! So viel Aufhebens um FriFoFu für linke Spinner, doch ein Vielfaches vielfältiger als „aufstehen“ ist „aufheben“: Dessen dreifaltige Bedeutung - beenden, bewahren, emporheben - spielt eine zentrale Rolle im Denkuniversum Georg W. F. Hegels. Von diesem via Marx und Lenin verläuft eine gerade rote Linie zur PDS - und hier stoßen wir auf ein weiteres bedeutendes, deutungsbedürftiges Multifunktionswort: „Unrechtsstaat“. Ist damit Un-Rechtsstaat oder Unrechts-Staat gemeint? Oder vielleicht Linksstaat? Auf jeden Fall halten PDS und ihre getreuen Helferlein es für unrechtmäßig, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Neuerlich ist eine öffentliche Diskussion hierüber entbrannt, diesmal anlässlich des großen Jubiläums dieses Herbstes. Wie meinen Sie: 30 Jahre Grenzöffnung? Nun hören Sie doch auf mit dieser ausgelutschten, ollen Kamelle. Nein, ungleich wichtiger, um die frustrierten Herzchen linker Spinner höher schlagen zu lassen: 70 Jahre Gründung der DDR am 7. Oktober, ihr Lummerland, das für immer versunkene Atlantis.

Vor 10 Jahren lehnte Bodo Ramelow den „politschen Begriff «Unrechtsstaat»“ ab, weil dieser „politisch aufgeladen“ und „mit juristischen Definitionen nicht zu fassen“ sei. Die DDR sei zwar kein Rechtsstaat gewesen, doch das Arbeitsgesetzbuch sei „als Gesetzestext in seiner Gesetzeslogik wesentlich besser und schlüssiger als die entsprechenden, völlig unübersichtlichen Vorschriften aus Westdeutschland“ gewesen. Ah ja. Na, dann fällt das bisschen Diktatur natürlich nicht ins Gewicht. Doch diese alte Leier kann er nicht schon wieder abspulen. Deshalb hat er zum hohen Feiertag - vorwärts immer, rückwärts nimmer  etwas ganz Neues ausklamüsert: „Der Begriff «Unrechtsstaat» aber ist für mich persönlich unmittelbar und ausschließlich mit der Zeit der Naziherrschaft und dem mutigen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und seiner Verwendung des Rechtsbegriffs «Unrechtsstaat» in den Auschwitz-Prozessen verbunden.“ Donnerwetter, muss man erst mal drauf kommen, hier beweist sich erneut die innovative Wucht des Sozialismus. Schlussfolgerung: Wer die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet, ist praktisch ein gauländischer NS-Verharmloser, hart am Rande zum Auschwitz-Leugner - das hat gesessen. Eigenartig ist allerdings, dass Ramelow „Unrechtsstaat“ plötzlich als Rechtsbegriff erachtet, wohingegen er 2009 behauptete, der Begriff sei „mit juristischen Definitionen nicht zu fassen“. Wenn aber „Unrechtsstaat“ ein Rechtsbegriff ist, kommt es nicht im Mindesten darauf an, was irgendein PDS-Häuptling mit kurzfristigem Verfallsdatum „für mich persönlich“ davon hält. Ob Diebstahl als Diebstahl bezeichnet wird, ist auch keine höchstpersönliche Geschmacksfrage. Hobby-Historiker Ramelow und seine Partei sollten sich die Bezeichnung „Unrechtsstaat“ als Ausdruck geschichtlicher Kontinuität zu eigen machen und ihre Wegbereiter nicht verleugnen: Ohne die NS-Hölle hätte es den „Sozialismusversuch“ DDR niemals gegeben. Immerhin hat Ramelow durch seine Einlassung bewiesen: Man kann Legastheniker sein und Dummschwätzer werden.

Vor 5 Jahren wurde in die Thüringer Thüringer Koalitionsvereinbarung aufgenommen, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen war - ja und? Für die Grünen ein welkes Feigenblatt, für die PDS ein Pups im Wind. Ausgehungert nach Macht, hätte sie jede Kröte geschluckt, um wieder die führende Kraft in Thüringen zu werden. Nun stümpern die Grünen auf Stichwort ihr übliches abgedroschenes Bauerntheater und geben die aus allen Wolken gefallenen Gutmenschen, die zutiefst menschlich enttäuscht sind, weil Genosse Bodo seit 5 Jahren hinterm Berg gehalten hat, dass seine Partei die multipel umbenannte SED ist - echt gemein, der ist ein Lüger!

Hoch die interbundesländische Solidarität! Ramelow erhält Schützenhilfe vom Verein der Freunde und Förderer der PDS in Person seiner Amtskollegin Manuela Schwesig. Üblicherweise sondern die SED-Verharmloser seit 30 Jahren gebetsmühlenartig immer dasselbe ab: Es war nicht alles schlecht, Siegerjustiz, null Promille u. dgl. Auch Manuela Schwesig setzt auf Altbewährtes aus der Mottenkiste: Sie verwahrt sich ebenfalls gegen den Begriff „Unrechtsstaat“, denn er werde von vielen Ostdeutschen als Herabsetzung empfunden (die historische Wahrheit wird demnach durch die Befindlichkeit ewiggestriger Sensibelchen definiert - „für mich persönlich“): „Er wirkt so, als sei das ganze Leben Unrecht gewesen. Wir brauchen aber mehr Respekt vor ostdeutschen Lebensleistungen.“ Unausgesprochen sind natürlich die westdeutschen Usurpatoren gemeint, welche die ODLL seit 30 Jahren mit Füßen treten. Aber was sind eigentlich Lebensleistungen, wie erweist man ihnen Respekt? Und wer hat jemals Respekt vor meinen - westdeutschen - Lebensleistungen bekundet? Schwesig zufolge gab es also massenhaft DDR-Bürger, die ihr eigenes individuelles Leben aufs Innigste mit dem Staat verknüpften und verwoben, sich mit ihm vollständig identifizierten, mit ihm in in völliger Hingabe, Harmonie und Seelenverwandtschaft verschmolzen und eins wurden auf einer universalen, transzendenten Ebene: Yin und Yang, ich und Erich, nicht „Wir sind das Volk“, sondern „Der Staat bin ich“. Das waren offenkundig Menschen, die - um ein Wort Gustav Heinemanns umzukehren - den Staat mehr liebten als ihren Ehegatten. Wir wollen mal annehmen, dass Ramelow, Schwesig und Konsorten ihren Respekt auch den Sterbensleistungen all der DDR-Bürger zollen, die am ... äh ... wie man so schön sagt ... äh ... Verlassen der Republik ... äh ... zur BRD bzw. zu Berlin-West ... äh ... sofort, unverzüglich ... gehindert wurden.

Um welcher Art Lebensleistungen im SED-System es vor allem geht, zeigte die PDS am 26.9. im Bundestag: Als einzige Fraktion stimmte sie dagegen, dass die Überprüfung, ob Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes für die Stasi tätig waren, bis 2030 verlängert wird. Mit diesem Morast koalieren SPD und Grüne. Mit denen würden sie im Herbst 2021 die Bundesregierung bilden. Wenn das einträte, wäre endgültig offenbar, dass Deutschland ein Unrechtsstaat ist: ein Staat, in dem es nicht mehr mit rechten Dingen zugeht.

Nachtrag am 23.10.2019: Nach dem Versand von „Schlecht aufgehoben“ an Medien und Buchverlage am 15. Oktober erhielt ich mal wieder einige Emaillen von Empfängern mit der mehr oder minder höflichen Aufforderung, fürderhin von weiterer Lektüre abzusehen. Es waren aber besonders viele, ein ähnlich herausragender Rekord wie bislang nur nach „Shock happens“. Fühlten sich diesmal linke Spinner (überdurchschnittlich häufig nikotinsüchtig) auf den Schlips getreten? Das könnte ich in meinem - von einer Zuschrift diagnostizierten - „unerträglichen Linkswahn“ vermuten. Doch weit gefehlt: Auch die FDP im liberalen Musterländle bat mich („Vielen Dank und freundliche Grüße“), sie aus meinem Verteiler zu nehmen, was insofern etwas unverständlich ist, als ich doch voll auf deren Linie liege: „Warte nicht, bis etwas passiert. Warte nicht, bis jemand etwas unternimmt. Warte nicht, bis Du gefragt wirst. Warte nicht länger.“ - mit dem einzigen Unterschied, dass ich mich nicht bemüßigt fühle, mitgliedwerden.fdp.de anzuwählen, sondern Satiren schreibe. Die schönste Äußerung lautete jedoch wie folgt („i. A.“): „Bitte Unterlassen Sie das Zusenden von SPAM Mails. Andernfalls werden wir Sie abmahnen.“ Nun aber wirklich PDS? Wieder nicht, sondern Verlag Hoffmann und Campe im liberalen Hamburg. Dessen aggressiver Kasernenhofton ist bezeichnend dafür, wie selbst Menschen, die quasi von Berufs wegen Meinungsvielfalt und Freiheit des Wortes hochschätzen und verteidigen sollten, sich rührend unsouverän und kleinkariert verhalten, sobald es im banalen Alltag, jenseits aller Sonntagsreden und Leitbilder, wirklich darauf ankommt. Nichtsdestoweniger: Vielen Dank, HoCa, eure Worte sollen mir neuer Ansporn sein (obwohl es ansehnlicher gewesen wäre, wenn eure Presseabteilung „unterlassen“ kleingeschrieben und zwischen „SPAM Mails“ einen schönen deutschen Bindestrich gesetzt hätte). Außerdem handele ich im Auftrag des Allerhöchsten. Also des höchsten Repräsentanten des Staates: Am 17. Oktober rief Frank-Walter Steinmeier dazu auf, die digitalen Räume nicht den Feinden der Freiheit und Demokratie zu überlassen, sondern die demokratische Mehrheit dürfe sich nicht vertreiben lassen vom Gebrüll der Wenigen, denn die Hater stünden nie und nimmer für die Mehrheit in unserem Land. Na also!

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(23.10.2019)

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